Windrad-Havarie in Grevenbroich Rotorarm weiter abgeknickt – 22 Tonnen vor Absturz
Grevenbroich · Das Rotorblatt baumelt am abgeknickten Windrad-Arm. Die Bergung ist gefährlich. Der Schweizer Hersteller sucht nach einer Lösung und will am Projekt festhalten. Ob die Anlage aber in Grevenbroich neu aufgebaut wird, ist noch offen.
Dem neuartigen Vertikal-Windrad auf der Frimmersdorfer Höhe darf sich weiterhin niemand nähern. Der Sperrradius von 500 Metern um die am Samstag havarierte Anlage ist zwar aufgeweicht worden, nachdem sich die Wetterlage entspannt hatte. Aber noch immer drohen schwere Teile aus einer Höhe von mehr als 70 Metern abzustürzen. Deshalb bleibt der Bereich unmittelbar an dem Prototyp Sperrgebiet. Problematisch: Ein Rotorblatt hängt nach wie vor „am seidenen Faden“ und droht abzustürzen. Es handelt sich dabei um ein 54 Meter langes und 22 Tonnen schweres Teil, das im Wesentlichen aus glasfaserverstärktem Kunststoff besteht.
Seit Montag „baumelt“ das mächtige Teil unterhalb der Rotornabe in etwa 70 Metern Höhe umher. Als der Rotorarm, an dem das Blatt befestigt ist, am Samstag abgeknickt war, hatte sich das Blatt zunächst im Stahlgerippe des Windrad-Masts verfangen. Den enormen Belastungen im Wind konnte das Teil offenbar nicht standhalten – nun brach es und löste sich. Seitdem muss damit gerechnet werden, dass der beschädigte Arm samt Rotorblatt direkt am Windrad in die Tiefe stürzt.
Wie der Hersteller des Prototyps, das Schweizer Unternehmen Agile Windpower, bereits am Samstag mitgeteilt hatte, waren Schäden am geknickten Rotorarm schon längere Zeit bekannt gewesen. Arbeiter hatten in der vergangenen Woche damit begonnen, Rotorblätter und Rotor abzubauen, um die Ursache für die Ende 2022 gefundenen Risse im Rotorarm untersuchen zu können. Als es am Samstag unerwartet zu der Havarie kam, hatten sie eines der drei Rotorblätter bereits mit einem Kran sicher zu Boden gebracht.
Über allem steht nun die Frage: Wie geht es weiter? „Wir arbeiten an Konzepten für unterschiedliche Szenarien“, sagt Laurenz Zellweger, Sprecher von Agile Windpower. Eine Bergung des herunterhängenden Rotorblatts sei sehr gefährlich. Derzeit sei unklar, ob und – wenn ja – wie und wann sich Arbeiter der Anlage nähern könnten. Die Bergung dürfte sich kompliziert gestalten, falls sich das Rotorblatt nicht doch von alleine löst.
All das verursacht hohe Kosten. Ursprünglich hatte Agile Windpower geplant, dem Rotor nach der ersten Havarie im Herbst 2020 und den jüngst festgestellten Rissen mit einem Neuaufbau 2023 eine dritte Chance zu geben. Nun aber würde für einen Wiederaufbau nicht nur ein neuer Rotorstern, sondern auch noch ein neues Rotorblatt benötigt. Ob der Prototyp des Vertikal-Windrads auf dem Windtestfeld in Grevenbroich noch einmal neu aufgebaut wird, ist offen. „Das können wir noch nicht sagen“, sagt Laurenz Zellweger. Gleichwohl betont er: „Wir sehen nach wie vor große Chancen in der Entwicklung dieses Typs. Unsere Antwort auf die Frage, ob wir grundsätzlich an dem Projekt festhalten wollen, lautet demnach ganz klar: Ja.“ Mit dem neuartigen Windrad, dessen Rotorblätter sich vertikal um die Anlage drehen und sich mit Stellmotoren 360 Grad um ihre eigene Achse drehen können, leistet Agile Windpower gewissermaßen Pionierarbeit. „Bei Neuentwicklungen müssen wir damit rechnen, dass Dinge schiefgehen“, sagt Zellweger.
Dass es auf der Frimmersdorfer Höhe gleich zweimal binnen weniger Jahre zur Havarie eines Windrad-Prototyps kommt, haben die Betreiber des dortigen Windtestfelds bisher nicht erlebt. „Aber das zeigt, wie wichtig solche Testfelder sind“, sagt Frank Albers von der Windtest Grevenbroich GmbH. „Wichtig ist, dass niemand zu Schaden gekommen ist.“ Spaziergänger und Landwirte, die die Felder auf der Halde bewirtschaften, sollen nun wieder Zugang haben. Sie müssen aber einen Sicherheitsabstand zum Vertikal-Rotor einhalten.