Spiritueller Zwischenruf Warum Kontaktlosigkeit eine Herausforderung ist

Langwaden · Das Gebot zur Kontaktlosigkeit beginne zum Fluch zu werden. Es sei gleichzeitig aber auch ein Segen, meint Bruno Robeck, Prior der Langwadener Zisterzienser-Mönche.

 Bruno Robeck ist Prior der Langwadener Zisterzienser.

Bruno Robeck ist Prior der Langwadener Zisterzienser.

Foto: Melanie Zanin

Es war nichts anderes zu erwarten. Das Coronavirus hat sich auch in die Fastenzeit hineingefressen. Der Ascheritus am Aschermittwoch war aus Hygieneschutzgründen in der gewohnten Form verboten. Um die direkte Berührung zu vermeiden, durfte der Priester das Aschekreuz nicht auf die Stirn der Gläubigen zeichnen, sondern ließ Asche in Kreuzform auf das Haupt der Gläubigen rieseln. Diese Form war ungewohnt. Natürlich kann man sich mit der Redewendung behelfen „Asche auf mein Haupt“, aber es bleibt doch eine gewisse Irritation zurück, weil das spürbare Auftragen des Aschekreuzes fehlte.

Wieder einmal war zu merken, wie sinnenhaft viele gottesdienstliche Riten sind. Und wieder einmal siegte der Aufruf zur Kontaktlosigkeit, der wie ein Mantra unseren Pandemiealltag durchzieht. Das Gebot zur Kontaktlosigkeit begleitet mich durch diese Fastenzeit. Es beginnt zum Fluch zu werden – zumindest für diejenigen, die sich nach Kontaktaufnahme und Nähe sehnen. Es führt zu Vereinsamung und Isolation, in der die Menschen verkümmern. Es ist aber auch ein Segen, denn es verhindert die weitere Verbreitung des Virus.

Die Kontaktlosigkeit ist für mich zur spirituellen Herausforderung mit praktischen Konsequenzen geworden. Sie kann mir ebenso wie die Asche meine Fehler bewusst machen und mich zum Neubeginn mahnen. Fehler zerstören immer den Kontakt zu dem, an dem ich mich verfehlt habe. Das Wort „Sünde“ steht sprachgeschichtlich in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Wort „Trennung“. Fehler und Sünden führen zur Störung und Zerstörung von Kontakten. Kontaktaufnahme dagegen bedeutet immer auch Leben. Man denke nur an das Deckenfresko Michelangelos in der Sixtinischen Kapelle mit der Erschaffung des Adam. Die Gestalten von Gott Vater und Adam stehen in engstem Kontakt, auch wenn sie sich – noch nicht oder nicht mehr – berühren.

Die Bibel erzählt im zweiten Schöpfungsbericht, dass Gott dem ersten Menschen den Lebensgeist eingehaucht hat. Jesus haucht nach seiner Auferstehung die Apostel an, um ihnen den Heiligen Geist zu geben. Eine engere Verbindung als das Anhauchen ist kaum vorstellbar, ein höheres Ansteckungsrisiko in der Pandemie allerdings auch nicht. Wer möchte, kann in der Zeit bis Ostern einmal seine Kontakte und seine Kontaktlosigkeiten überprüfen. Wo gab es Kontaktabbrüche oder -rückgänge und welche Ursachen gibt es dafür? Wo bin ich selbst schuld, ins Abseits oder gar in die Isolation geraten zu sein? Nicht zu vergessen, ist auch die Frage, mit wem ich in Kontakt stehe. Habe ich Kontakt zu mir selbst, zu meinen eigenen Gefühlen und Empfindungen? Wie sieht meine Verbindung zu den Mitmenschen und zur Schöpfung aus? Und wie sieht meine Beziehung zu Gott aus: wende ich mich ihm zu oder bin ich wenigstens bereit, dass er mich überrascht? Wer sich in dieser Corona- und Fastenzeit bewusst auf das Erleben der äußeren Kontaktlosigkeit einlässt, kann erfahren, wie sich seine Kontakte leichter ordnen lassen. Dann wird er gestärkt aus diesen Zeiten hervorgehen.

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