Spiritueller Zwischenruf Von jungen Menschen lernen

Meinung | Langwaden · Jugendliche wurden lange nicht gefragt, wie sie mit der Corona-Pandemie zurecht kommen. Das war falsch, meint Bruno Robeck, Prior der Langwadener Zisterziensermönche.

Wir schauen auf die steigenden Inzidenzzahlen. Sie verunsichern. Jetzt erleben wir endlose Diskussionen, welche Maßnahmen am besten helfen. Unsere Weltsicht ist durch Corona aufgebrochen. Seit über anderthalb Jahren kommen wir nicht mehr zur Ruhe. Am Beginn der Pandemie sahen wir die Menschen, die sonst im Hintergrund stehen, die aber das Rückgrat unseres gelingenden Alltags bilden, wie die Supermarktverkäuferinnen, die Lkw-Fahrer, die Rettungsdienste und Pflegeberufe. Plötzlich entdeckten wir auch, wie viele Menschen in menschenunwürdigen Verhältnissen leben und arbeiten müssen, die krank machen.

 Bruno Robeck ist Prior der Langwadener Zisterziensermönche.

Bruno Robeck ist Prior der Langwadener Zisterziensermönche.

Foto: Melanie Zanin

Im Rückblick scheint es, dass wir zu Beginn der Pandemie besser als heute auf das Coronavirus reagierten, obwohl wir viel weniger über das Virus wussten. Die damaligen Schutzmaßnahmen waren effektiv, aber auch drastisch. Und es entstanden neue Probleme. Die Kontaktbeschränkungen führten zu zusätzlicher Vereinsamung und nicht selten zu dramatischen Erlebnissen, weil der Besuch bei Kranken und das Verabschieden von Sterbenden nicht möglich waren.

Auch die weiterhin höchst sinnvolle Maskenpflicht forderte ihren Tribut: das Gefühl, das einem im wörtlichen und im übertragenen Sinn die Puste ausgeht. Und nicht zu unterschätzen: das in der Öffentlichkeit ständig versteckte Gesicht verhindert, die Mimik des anderen zu sehen. Wir haben die Schwierigkeiten gesehen. Wir haben sie auf uns genommen. Wir Erwachsene. Und wir haben es den Kindern und Jugendlichen ebenfalls zugemutet.

Nur wurde lange nicht danach gefragt, wie es den jungen Menschen mit all diesen Einschränkungen ging. Schon allein die lange Zeitspanne der Schutzmaßnahmen und des Wegfallens der früheren Normalität wirkte auf sie viel stärker als auf Erwachsene. Ein Jahr vergeht für einen Erwachsenen relativ schnell. Ein Erwachsener kann durch eine gewisse erworbene innere Stabilität außergewöhnliche Phasen leichter ertragen. Erst seit kurzem schauen wir endlich auf die Kinder und Jugendlichen. Die wieder steigenden Inzidenzzahlen dürfen diesen Blick nicht wieder vernebeln.

Für mich als Erwachsenen ist es erstaunlich, was die jungen Menschen zu sagen haben. Dabei sollte es mich nicht sonderlich verwundern, denn schon unsere Mönchsregel mahnt immer wieder, auf die jungen Menschen zu hören und verweist auf prominente Vorbilder in der Bibel. Was wir von den jungen Menschen lernen können, zeigt eine Ausstellung der Schülerinnen und Schüler des Grevenbroicher Erasmus-Gymnasiums in unserem Kloster. Doch zunächst zeigt sie uns etwas noch Grundlegenderes: wie junge Menschen die Corona-Pandemie bisher erlebt haben und welche Ausdrucksformen sie für ihre Erfahrungen gefunden haben.

So frage ich mich und alle Erwachsenen: Wären wir in der Lage, unsere Erfahrungen der letzten anderthalb Jahre in ähnlicher Weise auszudrücken? Das würde uns bei der Bewältigung der gegenwärtigen Phase der Pandemie helfen. Es wäre gut, wenn wir miteinander darüber ins Gespräch kämen, was uns beschäftigt und was uns Angst macht. Die Jugendlichen aus dem Erasmus-Gymansium machen es uns vor. Ihre aufgebrochene Weltsicht führt zu einer neuen Weitsicht. Wir können uns selbst aufbrechen lassen, um besser zu erkennen, was zu tun ist.

Prior Bruno Robeck, OCist

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