Spiritueller Zwischenruf Von der Weltkriegs-Generation lernen

Langwaden · In Zeiten der Corona-Krise lasse es sich von den Menschen lernen, die den vor 75 Jahren zu Ende gegangenen Zweiten Weltkrieg überlebt und eine Zukunft aufgebaut haben. Das meint Prior Bruno vom Zisterzienserkloster Langwaden.

 Das Zisterzienserkloster in Langwaden.

Das Zisterzienserkloster in Langwaden.

Foto: Rosenbaum, Bernd (bero)

Das normale Leben war aus den Fugen geraten. Das Vertrauen in die bisherige Sicherheit des Alltags war aufs äußerste erschüttert. Alle bangten um ihr Leben, das jederzeit gefährdet war. Diese Erfahrung machten die Menschen meiner Eltern- und Großelterngeneration im Zweiten Weltkrieg. Als dann die radikalen Schutzmaßnahmen vor knapp zwei Monaten unseren gewohnten Alltag lahmzulegen begannen und die Regale der Supermärkte sich durch Hamsterkäufe leerten, sagte mir eine ältere Dame, dass sie sich stark an die damalige Kriegszeit erinnert fühle.

Wir lebten und leben nicht im Krieg – auch wenn einige Regierungschef die Kriegsrethorik bemühten, um ihr Land auf die Überwindung der Corona-Krise einzuschwören. Ein Virus handelt nicht willentlich und will uns Menschen nicht erobern oder gar zerstören. Es folgt nur dem ihm innewohnenden „Lebensprogramm“ – wie alles Lebendige. Es ist für uns kaum fassbar und doch äußerst gefährlich in diesem höchst komplexen Naturprozess des Fressens und Gefressenwerdens. Wir müssen gegen das Corona-Virus kämpfen – ja, aber wir können es nicht bekriegen.

 Prior Bruno Robeck

Prior Bruno Robeck

Foto: Georg Salzburg (salz)

Wir können jedoch von den Menschen lernen, die den Krieg überlebt und eine Zukunft aufgebaut haben. Gerade in diesen Maitagen finde ich die dankbare Erinnerung an die Lebensgeschichten dieser Menschen wichtig. Am vergangenen Freitag endete vor 75 Jahren der Zweite Weltkrieg in Europa. Die Gedenkfeiern mussten leider abgesagt werden, und auch der eigens einmalig ausgerufene staatliche Feiertag für Berlin konnte durch die Coronamaßnahmen seine Wirkung nicht entfalten. Um so wichtiger ist die persönliche aktive Erinnerung.

Daher schaue ich vor allem auf die Menschen der Kriegsgeneration. Welche Ängste und Nöte mussten sie erleben? Welcher Willkürlichkeit und Schutzlosigkeit sahen sie sich ausgesetzt? Obwohl alles zusammenbrach und sie keine Instanz hatten, bei der sie wirksam ihr Recht auf körperliche Unversehrtheit einklagen konnten, gaben sie nicht auf. Im Gegenteil, sie ließen sich nicht unterkriegen, sondern bauten nach dem Krieg das Land wieder auf und ermöglichten uns Zukunft. Sie ermöglichten uns eine solch stabile und sorgenfreie Zukunft, dass wir bis vor kurzem einen Zusammenbruch des normalen Lebens für unmöglich hielten.

Wir können von unseren Eltern und Großeltern lernen, mit dem Bewusstsein zu leben, dass unser Leben immer gefährdet ist und dass wir Schönes und Neues aufbauen können – trotz aller Schwierigkeiten und Katastrophen, die über uns hereinbrechen. Diese Generation hat sich nicht unterkriegen lassen und nicht locker gelassen. Und ich frage mich schon, ob wir jetzt nicht zu schnell locker lassen im Kampf gegen das Corona-Virus.

Und noch etwas habe ich von meinen Eltern und Großeltern gelernt, das mich sehr beeindruckt hat und das mir sehr wertvoll ist: die ungeheure Kraft, die sie aus ihrem Glauben an Gott und aus ihrer Solidarität mit den anderen Menschen geschöpft haben.

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