Strukturwandel in Grevenbroich und Umgebung Rainer Thiel kritisiert Kohleausstieg ohne Sicherheit

Grevenbroich · Der Vorsitzende des Strukturwandel-Ausschusses äußert sich kritisch zur anstehenden Unterzeichnung des „Reviervertrages 2.0“. Mit Blick auf die Versorgungssicherheit fordert er ein abgestimmtes Vorgehen bei der Energiewende.

Der alte Kraftwerks-Standort in Neurath sollte im April vom Netz gehen. Wegen der Energiekrise hat er eine Verlänerung bekommen.

Foto: Kandzorra, Christian

Mit viel Prominenz aus Bund, Land und Region soll am Dienstag in Mönchengladbach der „Reviervertrag 2.0“ zum vorzeitigen Kohleausstieg unterzeichnet werden. Dazu gibt es zunehmend Kritik, insbesondere von der Industrie- und Handelskammer Köln. Sie hat angekündigt, das Spektakel nicht mitmachen zu wollen. Denn die im Vertrag verankerte Klausel, dass die Unterzeichner den Kohleausstieg im Jahr 2030 ausdrücklich begrüßen, will sie nicht mittragen. Eine Haltung, die Rainer Thiel (SPD) unterstützt.

„Es ist völlig unklar, wo neue Arbeitsplätze herkommen sollen – und sichere Energie, die gerade in unserer Region mit vielen Industriebetrieben und großen Städten gebraucht wird“, sagt der Vorsitzende des Kreis-Ausschusses für Strukturwandel und Arbeit mit Blick auf den Kohleausstieg, der in nur sechseinhalb Jahren vollzogen werden soll.

Rainer Thiel ist Vorsitzender des Kreis-Ausschusses für Strukturwandel und Arbeit im Rheinischen Revier.

Foto: Berns, Lothar (lber)

„Schon das Ausstiegsdatum 2038 galt als sehr ambitioniert – man war sich nicht sicher, ob das auch gelingen kann. Darum sollte in gesetzlich festgelegten Zeiträumen geprüft werden, ob wir auf dem richtigen Weg sind – und wie die Auswirkungen sind“, erinnert Thiel. Die erste gesetzliche Überprüfung sollte 2022 vom Wirtschaftsminister in Berlin vorgelegt werden, was aber nicht erfolgt sei, sagt der Kreispolitiker.

Vielmehr seien alte Kohlekraftwerke aus der Reserve geholt worden, um Versorgungssicherheit in der Energiekrise gewährleisten zu können. „Und nun soll noch schneller ausgestiegen werden, ohne zwischenzeitlich eine neue, sichere Energieversorgung aufzubauen“, beklagt Thiel und vergleicht: „Das ist in etwa so, als ob in einem Reisebus alle Bremsen ausgebaut werden, um dann tüchtig Gas zu geben, um schneller ans Ziel zu gelangen – während im Bus das Radio lauter gemacht wird, damit die Passagiere unterhalten und abgelenkt werden.“

Schon der erste Reviervertrag sei „eher bedrucktes Papier gewesen“, sagt der SPD-Politiker und meint: „Papier ist geduldig, Unternehmen sind das nicht.“ Aus Energiegründen hätten die ersten Firmen ihre Produktion bereits runtergefahren oder ganz eingestellt, andere würden Verlagerungen planen. „Das muss doch alle alarmieren und wachrütteln“, sagt Thiel und fordert: „Wir brauchen dringend ein abgestimmtes Vorgehen bei der Energiewende. Nur wenn Neues gesichert entsteht, kann Altes losgelassen werden. Darüber können auch feierliche Veranstaltungen und Festreden nicht hinwegtäuschen.“ Und es sei absurd, dass ein Großteil der 14,8 Milliarden Euro für den Strukurwandel schon verplant seien, ohne dass neue Arbeitsplätze entstehen.

Als Mitglied der Gesellschafterversammlung der Zukunftsregion Rheinisches Revier (ZRR) hat Rainer Thiel die Unterzeichnung des Reviervertrags abgelehnt. Den Kohleausstieg im Jahr 2030 begrüße er ausdrücklich nicht – da ist er ganz bei der IHK Köln.