Spiritueller Zwischenruf Starkes Signal für neue Entwicklung

Langwaden · Die Gedenkfeiern für die am Corona-Virus verstorbenen Menschen haben ein Thema in den Fokus gerückt, mit dem viele nicht in Berührung kommen wollen, meint Bruno Robeck, Prior der Zisterzienser aus Langwaden.

 Bruno Robeck ist Prior der Langwadener Zisterziensermönche.

Bruno Robeck ist Prior der Langwadener Zisterziensermönche.

Foto: Melanie Zanin

Auch wenn die Flaggen nicht mehr auf Halbmast gesetzt sind, so bleiben die Trauer der Hinterbliebenen und die täglich steigende Zahl der Toten. Mit zwei eindrucksvollen Feiern wurde am 18. April der vielen Menschen gedacht, die an oder mit dem Coronavirus gestorben sind. Die Gesamtzahl der über 81.000 Toten ist für uns schwer vorstellbar – vor allem, weil sie die Summe vieler Einzelschicksale ist, die sich über ein Jahr aufgebaut hat und auf Gesamtdeutschland verteilt.

Trotzdem trifft sie mit Wucht, da ein Virus all die Verstorbenen und Hinterbliebenden zur Einheit zusamenschließt. Die geschilderten Erfahrungen bei den Gedenkfeiern waren berührend, aber im Zusammenhang mit dem Thema „Tod“ nicht neu. Bisher wollten die meisten Menschen möglichst wenig mit diesem Thema in Berührung kommen. Tote können nicht mehr erzählen, wie sie unter der Einsamkeit der letzten Lebensstunden gelitten haben. Viele Menschen sterben in Einsamkeit, weil es niemanden gibt, von dem sie sich verabschieden können.

Jetzt haben sich viele gemeldet, die aufgrund der Coronaschutzmaßnahmen nicht mehr ihre sterbenden Angehörigen sehen durften. „Unsere Mutter wurde ins Krankenhaus eingeliefert, und dann erhielten wir sie tot zurück“, wurde mir kürzlich erzählt. Die Gedenkfeier für die Coronatoten holte den Tod in unsere Welt zurück. Präziser: sie holt den Tod in unser Bewusstsein, denn er war schon immer in unserer Welt und wird es auch bleiben. Besonders durch das Sprechen der Hinterbliebenden, die einen lieben Menschen verloren haben, ist er bei uns allen angekommen.

Wer die Geschichten hört, die Angehörige erzählen, wird berührt, traurig und vielleicht auch bestürzt sein. Er wird aber auch merken, wie sehr wir einen guten und bewussten Umgang mit dem Tod brauchen. Augen und Ohren zu verschließen, hilft nicht weiter. Es muss zur Normalität werden, dass wir den Tod sehen können und dass Hinterbliebene die Möglichkeit haben zu sprechen.

„Mitten wir im Leben sind mit dem Tod umfangen“, beginnt ein Mönchshymnus aus dem 9. Jahrhundert. Der Tod ist ein Teil unseres Lebens. Neben dem eigenen Tod erleben wir das Sterben anderer und das Zurückbleiben der Angehörigen und Freunde. Dieser stille Teil des Lebens ist jetzt durch das Erzählen der Hinterbliebenden laut geworden. Wir sollten aufmerksam sein auf die, die weiter wortlos trauern und die Gehör und Zuspruch brauchen. Wir sollten gerade die wahrnehmen, die in ihrer Einsamkeit versteckt sind.

Es besteht die große Gefahr, dass der Tod und all das Leid wieder leise aus dem allgemeinen Bewusstsein verschwinden. Sterbende und um sie Trauernde wird es immer geben. Sie dürfen nicht durch Verschweigen und Nichthörenwollen in Vergessenheit geraten. Der 18. April als Gendenktag an die Coronatoten war ein starkes Signal, eine neue Entwicklung anzustoßen, für alle dazusein. Wir Christen haben zwei große Zeiten im Jahr, damit wir die Sterbenden und die Trauernden nicht aus dem Blick geraten: die großen November-Totengedenken im dunklen Herbst und die zuversichtlich stimmende Osterzeit im hellen Frühling. Sie sagen uns: „der Tod war immer; das Leben ist immer!“

Prior Bruno Robeck, OCist

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