Brauchtum in Grevenbroich Seit 60 Jahren als St. Martin unterwegs

Elfgen · Toni Schläger aus Elfgen zählt zu den ältesten Martinsdarstellern im Heimatgebiet. Im Jahr 1962 ritt er erstmals dem Laternenzug voran – und bis heute ist er seiner Rolle treu geblieben. Ans Aufhören denkt er noch lange nicht.

Grevenbroich: Toni Schläger ist seit 60 Jahren St. Martin
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Bilder aus 60 Jahren als St. Martin

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Foto: Privat

So manche Großeltern von heute sehen ihn immer noch mit ein wenig Ehrfurcht an. Kein Wunder, hat Toni Schläger ihnen doch schon vom Pferd aus zugewinkt, als sie selbst noch mit ihren Fackeln durchs Dorf zogen. Seit 60 Jahren schlüpft der Elfgener nun schon in die Rolle des Sankt Martin, damit dürfte er zu den dienstältesten Darstellern weit und breit gehören. Ans Aufhören denkt der 84-Jährige noch nicht.

Er hat sich mächtig geärgert, damals im November 1961, erinnert sich Toni Schläger. „Es gab zwar einen Fackelzug, doch keinen Sankt Martin. Es hatte sich niemand gefunden, der aufs Pferd steigen wollte“, sagt er. Schläger beobachtete das „Trauerspiel“ vom Haus seiner Tante aus – und fasste einen Entschluss: „Im nächsten Jahr sitze ich auf dem Pferd.“ Ihm hatten die Kinder leidgetan, die 1961 ohne Martin auskommen mussten.

Bei der Hauptversammlung des Bürgervereins, der den Zug organisierte, sei er auf offene Ohren gestoßen – vor allem mit dem Angebot, über einen längeren Zeitraum hinweg den Sankt spielen zu wollen. „Vorher wechselten die Darsteller von Jahr zu Jahr, was schließlich dazu führte, dass sich 1961 niemand fand“, sagt der 84-Jährige. Dass er allerdings sechs Jahrzehnte lang den Bischof von Tours mimen würde – das hätte er damals nicht gedacht.

Zur Premiere im November 1962 stieg Toni Schläger in einem schneeweißen Bischofsgewand aufs Pferd. Professionelle Reitstunden hatte er nicht genommen. „Ich bin auf dem Dorf groß geworden“, sagt er. „Als Kinder haben wir die Pferde von den Bauern auf die Wiesen geführt und haben uns dabei das Reiten selbst beigebracht.“ Noch heute erinnert er sich lebhaft an seinen ersten Umzug und an die Kinder, die in Gruppen hinter ihm herzogen – „angeführt von Hauptlehrer Brass, Lehrer Krupp und Fräulein Rademacher“. Laut gesungen wurde natürlich auch, allerdings ohne musikalische Begleitung. „Das gab es damals noch nicht“, sagt Schläger. Den heiligen Mann spielte er weiter, auch nachdem sein Heimatort Elfgen dem Braunkohleabbau zum Opfer fiel. „1976 sind wir in das neue Dorf umgesiedelt“, sagt Toni Schläger. Zwei Jahre vorher hatte er mit seiner Frau Erna noch als Königspaar im Mittelpunkt des Schützenfestes gestanden.

Im Vereinsleben ist der Sankt Martin übrigens fest verwurzelt. Seit 50 Jahren gehört er dem Tambourkorps „Heimattreue“ an, früher spielte er die „dicke Trumm“, heute ist er Ehrenmitglied des 100 Jahre alten Spielmannszuges. Zudem war Schläger viele Jahre Fußballer, der sich als Mittelläufer bis hoch in die Bezirksliga kickte. Und die Trainer-Lizenz hat er auch. „Dafür habe ich damals meinen Urlaub geopfert“, erinnert er sich.

Wenn der ehemalige Rheinbraun-Mitarbeiter sein Fotoalbum aufschlägt, kommen die Erinnerungen an die vielen Kinder, die ihm begegneten und die ihm sogar im Sommer als Sankt Martin begrüßen, wenn er zivil im Dorf unterwegs ist. „Ich finde das klasse“, sagt Toni Schläger, der sich bereits auf seinen nächsten Auftritt am 11. November freut. Ob er dann wieder aufs Pferd steigen wird, weiß er noch nicht. „Das Absteigen fällt mir etwas schwer“, sagt er. Wenn es geht, möchte er den Sankt Martin für die Elfgener Kinder so lange wie möglich spielen.

 In Elfgen ist der Sankt Martin traditionell als Bischof verkleidet. Der Umzug findet im Dorf stets am 11. November statt.

In Elfgen ist der Sankt Martin traditionell als Bischof verkleidet. Der Umzug findet im Dorf stets am 11. November statt.

Foto: Privat
Sankt Martin verteilt reich gefüllte Tüten an die Kinder des Dorfs.

Sankt Martin verteilt reich gefüllte Tüten an die Kinder des Dorfs.

Foto: Privat
Begegnung mit dem heiligen Mann am Feuer auf dem Kirmesplatz.

Begegnung mit dem heiligen Mann am Feuer auf dem Kirmesplatz.

Foto: Privat
Toni Schläger zeigt Fotos aus seinem Sankt-Martins-Album.

Toni Schläger zeigt Fotos aus seinem Sankt-Martins-Album.

Foto: Wiljo Piel/wilp

2022 ist für Toni Schläger übrigens ein ganz besonderes Jahr. Nicht nur, weil er seit 60 Jahren in Sachen Martinsfest unterwegs ist. Genauso lange ist er auch mit seiner Frau Erna verheiratet, erst vor kurzem konnte die Diamanthochzeit gefeiert werden. „Sie hat viel Verständnis für meine Hobbys gezeigt“, sagt Schläger. „Ohne sie hätte ich das so lange nicht durchziehen können.“

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