Potenzial in Grevenbroich ist sehr groß Luft nach oben bei erneuerbaren Energien

Grevenbroich · Das Potenzial für Solarenergie und Gründächer ist im Rhein-Kreis Neuss und in Grevenbroich enorm. Doch nur wenige Hausbesitzer setzen ein solches Projekt um. Die Grünen nehmen die Stadtverwaltung deshalb in die Pflicht.

 Andrea Conrads-Wendtland kann von ihrem Balkon auf das Gründach auf ihrer Garage blicken. Seit 20 Jahren schon wuchern dort kleine Pflanzen und Rasen.

Andrea Conrads-Wendtland kann von ihrem Balkon auf das Gründach auf ihrer Garage blicken. Seit 20 Jahren schon wuchern dort kleine Pflanzen und Rasen.

Foto: Dieter Staniek

Immer wenn Andrea Conrads-Wendtland von oben auf ihre Garage blickt, dann sieht sie grün. Die Lebensmittelchemikerin, die in der Südstadt wohnt, hat das Dach ihres Stellplatzes begrünen lassen. Und das bereits vor 20 Jahren. „Freunde der Familie haben damals ökologisch ein Haus gebaut“, sagt Conrads-Wendtland. „Da haben auch wir beschlossen, unsere Garage zu begrünen.“ Seitdem wachsen auf dem Flachdach kleine wasserspeichernde Pflanzen und Gras. Auch Moos, Kräuter, Stauden oder Sträucher könnten auf der Garage gepflanzt werden.

 Ein Landschaftsgartenbauer hätte die Dachbegrünung damals angelegt, da viel Know-How nötig sei. „Legt man selbst Hand an, kann man viel falsch machen“, sagt die 60-Jährige. Bis heute ist sie davon überzeugt, mit dem Anlegen eines Gründachs die richtige Entscheidung getroffen zu haben. „Es hat sich bewährt und ist pflegeleicht“, sagt Conrads-Wendtland. Lediglich einmal im Jahr überprüfe sie, ob Baumsetzlinge austreiben und entfernt werden müssten. Das Gründach sei besonders aus ökologischen Gesichtspunkten reizvoll. In Zeiten von Kies in den Vorgärten und vielen versiegelten Flächen in den Städten sei es ein Beleg dafür, dass eine sonst öde Fläche naturnah gestaltet werden könne.

 Das Gründach auf der Garage von Andrea Conrads-Wendtland in der Nahansicht. Auch etwas Moos hat sich gebildet.

Das Gründach auf der Garage von Andrea Conrads-Wendtland in der Nahansicht. Auch etwas Moos hat sich gebildet.

Foto: Dieter Staniek

Service der Verwaltung Die Stadt Grevenbroich und der Rhein-Kreis Neuss setzen schon seit längerem auf eine besondere Form der Werbung, um den Bau von Gründächern – aber auch von Solaranlagen – zu fördern: das Gründach- und Solarpotenzialkataster. Das Kataster dient als erste Orientierung und zeigt, welche Häuser für eine Solaranlage oder ein Gründach geeignet sind. Dazu wurden Luftbilder mit farblich unterschiedlich gekennzeichneten Hausdächern eingepflegt.

Das Solarpotenzialkataster soll Hauseigentümern eine erste Orientierung bieten, ob eine Photovoltaikanlage auf dem Dach installiert werden kann.

Das Solarpotenzialkataster soll Hauseigentümern eine erste Orientierung bieten, ob eine Photovoltaikanlage auf dem Dach installiert werden kann.

Foto: NGZ/Screenshot/NGZ

 Das Kataster scheint in Grevenbroich immer mehr auf Interesse zu stoßen, wie die Statistik, die der Rhein-Kreis Neuss auf Anfrage herausgibt, bestätigt. Im Vergleich zu 2018 sind die Zugriffszahlen im vergangenen Jahr von 776 auf 1086 angestiegen. Dieser Trend ist auch für den gesamten Kreis zu erkennen: Die Zugriffszahlen haben sich binnen eines Jahres nahezu verdoppelt. 2018 wurden noch knapp unter 4000 Aufrufe für beide Kataster gezählt, im vergangenen Jahr waren es bereits rund 7000.

Das Gründachkataster für die Stadt Grevenbroich zeigt farblich an, auf welchen Häusern eine Dachbegrünung möglich ist.

Das Gründachkataster für die Stadt Grevenbroich zeigt farblich an, auf welchen Häusern eine Dachbegrünung möglich ist.

Foto: NGZ/Screenshot/NGZ

Fehlende Umsetzung Die Stadt Grevenbroich kann keine genauen Angaben dazu machen, wie viele Hauseigentümer auf eine Solaranlage oder ein Gründach setzen. „Photovoltaikanlagen auf Dächern oder an Fassaden sind in Nordrhein-Westfalen laut der Landesbauordnung genehmigungsfrei“, sagt Sprecherin Claudia Leppert. Allerdings sollten sich Eigentümer von denkmalgeschützten Gebäuden oder Häusern in der historischen Altstadt vorher beim örtlichen Bauordnungamt erkundigen. Auch Gründächer müssten nicht bei der Stadt angemeldet werden.

 Solaranlagen, die neu in Betrieb genommen werden, müssen allerdings bei der Bundesnetzagentur registriert werden. Im sogenannten Marktstammdatenregister ist aktuell abzulesen, dass in Grevenbroich lediglich 180 Anlagen zur Stromerzeugung in Betrieb sind, die ihre Energie aus der Sonne speisen. „Noch sind nicht alle Einheiten aufgeführt“, sagt Michael Reifenberg, Sprecher der Bundesnetzagentur und gibt an, dass die Zahl wahrscheinlich etwas nach oben korrigiert werden müsse. Der Grund: Am 31. Januar 2019 stellte die Behörde auf das Marktstammdatenregister um. Hausbesitzer hätten von dem Zeitpunkt an zwei Jahre Zeit, um ihre Anlage neu zu melden.

Gewaltiges Potenzial Dennoch sind die Zahlen ernüchternd. Schließlich ist das Potential in der Region enorm. Alleine in Grevenbroich könnte nach Berechnungen des Landesamts für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (Lanuv) eine Fläche von rund 2,5 Millionen Quadratmetern mit Solarmodulen ausgestattet werden. Damit ließe sich eine Menge von 190.000 Tonnen CO2 pro Jahr einsparen und klimafreundlich Strom produzieren. Im gesamten Rhein-Kreis Neuss könnte auf über 16 Millionen Quadratmeter Solarpaneele verbaut werden – und so über eine Million Tonnen CO2 vermieden werden. Laut Rhein-Kreis Neuss sind knapp 135.700 Dächer für eine Solaranlage geeignet, über 93.000 davon „gut geeignet“.

 Der Kreis gibt zudem an, dass 92.000 Dächer von insgesamt rund 287. 000 Gebäuden für ein Gründach in Frage kommen. Trotzdem ist das Gründach von Andrea Conrads-Wendtland noch eine Ausnahme in Grevenbroich. Dabei betonen Kreis und Stadt, dass begrünte Dächer einen großen Nutzen für den Klimaschutz haben: Sie dienen als Wärme- und Kältepuffer sowie als zusätzliche Dämmung und reduzieren die Hitzeentwicklung. Sie wirken sich auch positiv auf das Stadtklima aus, indem sie Luftschadstoffe filtern, CO2 aufnehmen und Stark-Niederschläge verzögert in die Kanalisation abgeben.

Kritik Die Grünen nehmen die Stadt derweil angesichts des enormen Potenzials in die Pflicht, regenerative Energien auszubauen. Peter Gehrmann, Sprecher der Grevenbroicher Ratsfraktion, setzt dabei auch auf die Vorbildfunktion: „Wenn die Stadt oder Unternehmen investieren, dann machen es die Bürger auch.“ Er schlägt zum Beispiel vor, dass die Stadt bei Projekten, bei denen sie selbst involviert ist, stärker auf Photovoltaikanlagen setzt. Das Dach der neuen Feuerwache oder vom Parkhaus am Bahnhof seien nur zwei von ganz vielen, auf denen Solarstrom erzeugt werden könnte. Diese Investitionen hätten sogar einen großen Vorteil. „Regenerative Energien sind auch ein Mittel, um Geld zu sparen“, sagt Gehrmann. „So kann mehr an anderen Stellen investiert werden.“

 Der Sprecher der Grünen fordert darüber hinaus, dass der Bau von Gründächern von städtischer Seite gefördert werden soll. Gleichzeitig kritisiert er, dass die Verwaltung zuletzt eine Begrünung von Bushaltestellen aus Kostengründen abgewiesen hat. „Wenn das zu teuer ist, dann muss eben nach anderen Lösungen gesucht werden“, sagt Gehrmann. Gründächer oder auch Solaranlagen könnten etwa in Neubaugebieten von Beginn an eingeplant werden oder für Wohnungsbaugesellschaften Pflicht werden. Um solche Themen sowie um den generellen Ausbau von regenerativen Energien in Grevenbroich soll sich – geht es nach den Grünen – im Anschluss an die kommende Kommunalwahl eine eigens eingerichtete Stabsstelle für Naturschutz und Umwelt kümmern, die nah am Bürgermeister angesiedelt sein soll.

(jlu)
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