Luftschutzanlagen in Grevenbroich und Umgebung Neuer Verein erforscht die alten Bunker

Grevenbroich · Stefan Rosellen hat mit Gleichgesinnten einen Verein gegründet, der sich mit der Historie der Luftschutzanlagen im Kreisgebiet beschäftigt. Vor den Grevenbroicher Geschichtsfreunden gab er jetzt einen Einblick in seine Recherchen.

Grevenbroich: Stefan Rosellen erforscht alte Bunker im Rhein-Kreis Neuss
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Einen Einblick in Grevenbroichs alte Bunker

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Foto: Stefan Rosellen

Die Spuren des Zweiten Weltkrieges sind auch 74 Jahre nach Kriegsende im Stadtgebiet noch gut sichtbar. Wer genau hinsieht, findet auf privaten Grundstücken oder an öffentlichen Gebäuden noch Markierungen und Hinweise auf Zugänge zu Luftschutzräumen. Der Orkener Stefan Rosellen widmet sich seit rund zehn Jahren der Recherche dieser Bauwerke, die überwachsen, verbaut und überwuchert, manchmal aber auch direkt sichtbar sind – wie die „Ein-Mann-Bunker“ genannte Splitterschutzzelle im Braunkohlenwäldchen auf der Stadtparkinsel.

Gegenüber dem Geschichtsverein stellte Rosellen jetzt in der Villa Erckens die Ergebnisse seiner Forschungen vor. Er schilderte anschaulich die Geschichte des Luftschutzes seit dem Ersten Weltkrieg bis zum Bau großer Luftschutzanlagen wie am Grevenbroicher Krankenhaus oder am Flutgraben in den Jahren 1943/44. Mit dem Beginn der nationalsozialistischen Herrschaft im Januar 1933 begann die praktische Umsetzung von Luftschutzmaßnahmen und damit die schleichende ideologische Einstimmung der Bevölkerung auf einen neuen zerstörerischen Krieg.

„Mehr als 15 Millionen Mitglieder zählte der 1933 gegründete Reichsluftschutzbund im Jahr des Kriegsausbruchs 1939“, weiß Rosellen zu berichten. Bis dahin wurden – wie in Oekoven – Keller privater Wohnhäuser zu Luftschutzräumen umgebaut. Der Bau von Bunkern allerdings erfolgte in Grevenbroich erst spät. Nämlich dann, als im Zuge der Angriffe auf die kriegswichtige Industrie am Rhein und die Flächenbombardements der Alliierten auf die benachbarten Großstädte auch die Stadt an der Erft stärker in Mitleidenschaft gezogen wurde.

Stefan Rosellen zitierte hier aus der Schulchronik des Elfgener Hauptlehrers Matthias Braß. Der zeitgenössische Chronist hat die Schrecken des Bombenkrieges für die Elfgener in seinen Aufzeichnungen, die im Stadtarchiv gesichert sind, beschrieben. Auch ausgebaute Erdstollen boten der Bevölkerung damals vielerorts Schutz. Braß hielt fest: „15. August 1943. Der Luftschutzstollen, den Herr Konrad Schmitz in den Berg zwischen Neuenhof und Kirche gebaut hat, ist fertig. Über 100 Personen, das ganze Kirchenende und die ,Hött’, finden drin Platz. Auch über meine eigene Familie kann ich beruhigt sein: Neun Meter Deckung, zwei Mal eiserne Türen, Entlüftung, Licht, Drahtfunk, gute Sitzgelegenheit. Der Tatkraft und Klugheit des Erbauers stellt er ein gutes Zeugnis aus. Alle Nachbarn sind ihm dankbar.“

Insgesamt forderte der Luftkrieg als direkte Folge des von Hitler entfesselten Weltkrieges mehr als 600.000 Tote in Deutschland. Doch die Schutzmaßnahmen galten im Sinne der NS-Ideologie nur für Deutsche und auch hier forderte der Rassenwahn Opfer: Zwangsarbeiter aus Osteuropa, Kriegsgefangene oder Juden wurde der Schutz verwehrt. Wie Ulrich Herlitz, Vorsitzender des Geschichtsvereins und Leiter des Arbeitskreises Judentum in der anschließenden Diskussion betonte, wurde der Grevenbroicherin Johanna Rings der Zugang zum Luftschutzraum verweigert, nur weil sie Jüdin war.

 Ein Relikt aus dem Zweiten Weltkrieg: die „Ein-Mann-Bunker“ genannte Splitterschutzzelle im Braunkohlewäldchen auf der Stadtparkinsel.

Ein Relikt aus dem Zweiten Weltkrieg: die „Ein-Mann-Bunker“ genannte Splitterschutzzelle im Braunkohlewäldchen auf der Stadtparkinsel.

Foto: Stefan Rosellen

Viele Archive hat Rosellen aufgesucht und unzähligen persönlichen Kontakten und Hinweisen ist er gefolgt, um der Geschichte der Bauwerke auf die Spur zu kommen. Gemeinsam mit Interessierten gründete er im Januar den Verein „Luftschutzanlagen im Rhein-Kreis-Neuss“, der es sich zum Ziel gesetzt hat, die 200 bis 300 Anlagen im Kreisgebiet zu dokumentieren. Luftschutzbauten wie der Rundbunker des Typs „Moerser Topf“ oder Anlagen wie am Flutgraben (Modell Rheinhausen) werden von den Forschern erkundet, beschrieben und zum Teil unter schwierigen Bedingungen besichtigt. Viele Bauten liegen mehrere Meter unter der Oberfläche und sind nur durch enge und baufällige Schächte zu betreten.

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