Spätsommer-Phänomen in Grevenbroich Muschelblumen-Karawane treibt in Richtung Rhein

Grevenbroich · Ein dichter grüner Teppich trieb am Donnerstag auf dem Flutgraben in der Innenstadt. Millionen von Muschelblumen wurden mit der Strömung flussabwärts in Richtung Rhein befördert. Die exotische Pflanze hat sich in diesem Jahr besonders stark in der Erft ausgebreitet – begünstigt durch ein ausgesprochen warmes Wetter. Warum die Tage dieses botanischen Phänomens gezählt sind.

 Der Flutgraben war am Donnerstag grün vor Muschelblumen.

Der Flutgraben war am Donnerstag grün vor Muschelblumen.

Foto: Carsten Sommerfeld/cso-

Wann und wie die in den Tropen beheimatete Schwimmpflanze in den Fluss geriet, weiß so recht niemand. „Höchstwahrscheinlich kam sie irgendwann einmal mit Aquarien- oder Teichabfällen ins Wasser“, sagt Udo Rose, Leiter der Stabsstelle Biologie beim Erftverband. Fest steht aber: Die „Pistia stratiotes“ gedeiht in der Erft prächtig – und stört das gesamte Ökosystem.

RWE leitet etwa 24 Grad warmes Sümpfungswasser aus dem Tagebau Hambach in den Fluss ein. Dadurch ist er deutlich wärmer als normale Gewässer. „Da das Wasser selten unter 15, fast nie unter zwölf Grad abkühlt, überlebt die Muschelblume hier auch den Winter“, sagt Rose. 

In der kalten Jahreszeit gehe die Population zwar sichtbar zurück, ganz auszurotten ist die salatähnliche Pflanze jedoch nicht. „Selbst kleine Exemplare von der Größe eines Centstücks reichen aus, um die Population in die nächste Generation zu befördern“, meint der Biologe. „Dann beginnt der Kreislauf von neuem.“ Dass sich die Muschelblume in diesem Jahr besonders stark vermehrte, habe am Wetter gelegen. Seit dem Frühjahr war es meist sonnig, das seien ideale Bedingungen gewesen.

Die Muschelblume verbreitet sich durch Ausläufer. Ein Exemplar ist in der Lage, zwischen drei und fünf Ableger zu bilden. Die Schwimmpflanzen siedeln sich in den ruhigen Bereichen der Erft an und bilden dort große Teppiche. Werden es zu viele, geraten sie – wie am Donnerstag – in die Strömung und werden in Richtung Rhein getrieben. Ein Phänomen, das vor allem im Spätsommer beobachtet werden kann.

Die „Pistia stratiotes“ verleiht dem Fluss zwar einen Hauch von Amazonas, doch so richtig warm werden kann der Erftverband nicht mit dem Exoten. Denn durch ihre massenhafte Verbreitung wird das Gewässer verschattet, andere Wasserpflanzen können nicht überleben, dadurch leidet das gesamte Nahrungsnetz innerhalb des Flusses.

Um der Muschelblume endlich Herr zu werden, müssten sämtliche Exemplare aus der Erft gefischt werden. „Das aber käme einer Sisyphusarbeit gleich“, meint Udo Rose. „Wir müssten dafür selbst die winzigsten Exemplare herausholen, das wäre nicht zu schaffen.“ Ohnehin sei der Spuk im Jahr 2030 vorüber: „Wenn die Braunkohleförderung im Tagebau Hambach ausläuft, wird sich das Thema von selbst erledigen“ Fehlen die warmen Sümpfungswässer, habe die Muschelblume im Winter keine Überlebenschance mehr.

So hat der Erftverband denn auch die Überlegungen zu den Akten gelegt, die „Pistia stratiotes“ in Biogasanlagen zu verwerten. Das würde sich für die nächsten acht Jahre nicht rechnen.

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