Standortanalyse der Kammer fürs Rheinische Revier IHK - Rathäuser müssen mehr für Wirtschaft tun

Grevenbroich · Die Industrie- und Handelskammer Mittlerer Niederrhein hat die Stärken und Schwächen der Strukturwandel-Kommunen Grevenbroich, Jüchen und Rommerskirchen analysiert.

 Mehr als acht Prozent der Beschäftigten in Grevenbroich arbeiten in der Energieversorgung – in ganz Nordrhein-Westfalen sind es nur 0,8 Prozent. Das zeigt die Abhängigkeit der Stadt von dieser Branche.

Mehr als acht Prozent der Beschäftigten in Grevenbroich arbeiten in der Energieversorgung – in ganz Nordrhein-Westfalen sind es nur 0,8 Prozent. Das zeigt die Abhängigkeit der Stadt von dieser Branche.

Foto: dpa/Oliver Berg

Wie gut sind Grevenbroich, Jüchen und Rommerskirchen auf den Strukturwandel vorbereitet? Diese Frage steht im Zentrum einer Standortanalyse der Industrie- und Handelskammer (IHK) Mittlerer Niederrhein. „Die Unternehmen bewerten die drei Standorte als zufriedenstellend“, fasst IHK-Hauptgeschäftsführer Jürgen Steinmetz zusammen. „Es gibt aber Luft nach oben.“ Durch die Kombination von aktueller Wirtschaftskrise und dem Strukturwandel der kommenden Jahre stehe das Rheinische Revier nun vor einer Doppelbelastung. „Die Analyse zeigt uns die Stärken und Schwächen des Wirtschaftsstandortes auf“, berichtet Steinmetz. „Das ist die Grundlage für gezielte Projekte und Maßnahmen, um die Situation der Unternehmen in der derzeitig schwierigen Phase zu verbessern.“

Grevenbroich ist abhängig von der Energieindustrie Die Herausforderungen der drei Kommunen werden beim Blick auf die wirtschaftlichen Strukturen deutlich. 36 Prozent der Beschäftigten arbeiten in der Industrie – in NRW insgesamt sind es nur 27 Prozent. 8,1 Prozent der Arbeitnehmer in Grevenbroich sind in der Energieversorgung tätig, landesweit sind es nur 0,8 Prozent. „Der Anteil in Grevenbroich ist damit mehr als zehnmal so hoch. Das zeigt die Abhängigkeit von dieser Branche“, sagt Gregor Werkle, Leiter Wirtschaftspolitik bei der IHK. Die Abhängigkeit des Wirtschaftsstandorts von der Braunkohle verdeutlicht auch eine weitere Zahl: Rund 28 Prozent der Unternehmen in den drei Kommunen gaben an, dass sie negative Auswirkungen durch den Braunkohleausstieg befürchten. „Das zeigt, dass sich der Strukturwandel nicht nur auf die direkt betroffenen Großunternehmen auswirkt, sondern eben auch auf den hiesigen Mittelstand“, betont Werkle.

Güterverkehr ist krisenbedingt rückläufig  Auch die Logistikwirtschaft ist in den drei Kommunen insgesamt überdurchschnittlich stark vertreten. Mehr als 2500 Beschäftigte und damit 8,7 Prozent der Menschen arbeiten in diesem Bereich – im Vergleich dazu sind es 5,5 Prozent in NRW. „Diese Branche leidet aktuell darunter, dass Güterverkehr krisenbedingt rückläufig ist“, erläutert Gregor Werkle. Weitere stark betroffene Branchen wie der Handel, die Gastronomie und verschiedene Dienstleistungen seien im Rheinischen Revier dagegen eher unterdurchschnittlich vertreten. „Die Wirtschaftsstrukturen deuten also darauf hin, dass das Revier von der aktuellen Krise zumindest nicht stärker betroffen sein dürfte als andere Regionen“, erläutert Werkle.

Mehr Beschäftigte in den drei Kommunen Erfreulich seien die Beschäftigungszuwächse der drei Kommunen in den vergangenen 20 Jahren. Das Wachstum lag insgesamt bei 25 Prozent. Insbesondere Jüchen (plus 55 Prozent) und Rommerskirchen (plus 109 Prozent) konnten die Beschäftigtenzahlen deutlich steigern. Weitere Indikatoren wie die durchschnittliche Verschuldung, die Steuereinnahmekraft und die Gründungsintensität haben sich laut IHK in den drei Kommunen ebenfalls gut entwickelt. „Die Ausgangssituation vor dieser Krise war also vergleichsweise gut“, so Werkle. „Das ist angesichts der aktuellen Herausforderungen durch die Wirtschaftskrise und den Strukturwandel überaus wichtig.“

Grevenbroicher Betriebe sind kritisch eingestellt Für den IHK-Hauptgeschäftsführer zeigen die Zahlen, dass der Transformationsprozess im Revier auf eine gesunde Wirtschaftsstruktur trifft. „Der Wandel im Revier ist politisch gewollt und initiiert. Wir respektieren diese Entscheidung, aber wir müssen jetzt – gemeinsam mit den Akteuren vor Ort und der Politik – diesen Strukturwandel gestalten“, sagt Jürgen Steinmetz. Damit dies gelingt, bedürfe es es guter Standortbedingungen vor Ort. Die von der IHK befragten Unternehmen gaben die durchschnittliche Gesamtnote von 2,69 Prozent für die Standortqualität. „Das ist schlechter als der Durchschnitt der Kommunen, die wir in den vergangenen zwei Jahren untersucht haben“, erklärt Steinmetz. Im Mittel geben die Unternehmen ihren Standorten in der Gesamtregion die Note 2,49. Unterschiede zwischen den drei Kommunen gibt es aber auch. „In Rommerskirchen sind die Unternehmen sehr zufrieden, während die Grevenbroicher Betriebe kritischer eingestellt sind“, sagt Steinmetz.

Mehr Unzufriedenheit als in der Gesamtregion In allen fünf von der IHK abgefragten Themenfeldern – Harte Standortfaktoren, Kommunale Kosten und Leistungen, Innenstadtfaktoren, Arbeitsmarktfaktoren, Forschung, Entwicklung und Beratung – sind die Unternehmen in Grevenbroich, Jüchen und Rommerskirchen im Schnitt etwas unzufriedener als der Durchschnitt des Kammerbezirks. „Da gibt es Verbesserungspotenzial“, meint Jürgen Steinmetz. Von den 20 wichtigsten Standortfaktoren werden 14 im Rheinischen Revier schlechter bewertet.

Betriebe kritisieren hohe kommunale Kosten In der Kritik stehen bei den Betrieben vor allem die kommunalen Kosten. Zwar haben alle drei Kommunen im Vergleich zu den Städten und Gemeinden im Rhein-Kreis keinen übermäßig hohen Gewerbesteuerhebesatz – der IHK-Hauptgeschäftsführer gibt aber zu bedenken: „Das Gewerbesteuerhebesatz-Niveau in der Gesamtregion ist überdurchschnittlich hoch. Das ist eine Hypothek für den gesamten Strukturwandelprozess, bei dem es schließlich darum gehen wird, neue Unternehmen für den Standort zu gewinnen.“ Auch wichtige kommunale Leistungen wie die reibungslose Kooperation öffentlicher Ämter, die Reaktionszeiten oder die Bestandspflege örtlicher Betriebe werden von den Unternehmen nur durchschnittlich bewertet. Steinmetz empfiehlt den Kommunen, sich für das RAL-Gütesiegel „Mittelstandsfreundliche Verwaltung“ zertifizieren zu lassen. „Eine wirtschaftsfreundlichere Verwaltung erleichtert die Ansiedlung neuer Unternehmen enorm – und das wird bei der Bewältigung des Strukturwandels von entscheidender Bedeutung sein.“

IHK fordert eine intelligente Flächennutzung Auch die Informations- und Kommunikations-Infrastruktur erhält von den Unternehmen eine mäßige Bewertung. „Wer neue, innovative Branchen ansiedeln möchte, muss bei der Entwicklung möglicher neuer Gewerbegebiete die Informations- und Kommunikations-Infrastruktur mitdenken“, betont Jürgen Steinmetz. Der Hauptgeschäftsführer verweist zudem auf die Forderung der IHK nach einer intelligenten Flächennutzung im Rheinischen Revier – etwa durch die Entwicklungen des Industrieparks Elsbachtal, des Kraftwerksumfelds Neurath und des Gewerbe- und Industriegebiets Jüchen/Dreieck Jackerath.

Einsatz für besseren ÖPNV Mit Akteuren aus der Region will sich die IHK dafür einsetzen, dass die Verkehrsanbindung verbessert wird. „Ich denke an den Bau der Revierbahn sowie an eine S-Bahn anstelle der RB 27 zwischen Mönchengladbach und Köln“, so Steinmetz. Damit würde eine attraktive 20-Minuten-Takt-Verbindung geschaffen.

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