Tiere im „Elsbachtal“ Haselmaus-Umsiedlung fürs Industriegebiet

Grevenbroich · Artenschutz-Gutachten hat eine Nager-Population festgestellt. Die Experten schlagen vor, die Tiere an einen anderen Ort umzusiedeln.

Haselmaus Umsiedlung in Grevenbroich
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Haselmaus Umsiedlung in Grevenbroich

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Foto: Forschungsstelle Rekultivierung

Sie lebt ausgerechnet dort, wo künftig Gewerbebetriebe angesiedelt werden sollen: Die streng geschützte Haselmaus fühlt sich in den Büschen und Sträuchern wohl, die künftig dem Industriegebiet „Elsbachtal“ weichen müssen. Das hat eine jetzt abgeschlossene Artenschutzprüfung des Kölner Büros für Faunistik ergeben. Um zu verhindern, dass die Tiere bei den künftig fällig werdenden Rodungen getötet werden, schlagen die Experten vor, die Nager umzusiedeln.

Klingt kompliziert, ist aber für die Mitarbeiter der RWE-Forschungsstelle für Rekultivierung längst gängige Praxis. Denn das Team um Gregor Eßer hat in den vergangenen Jahren bereits viele Hundert der kleinen wuseligen Tiere in neuen Lebensräumen angesiedelt. Zuletzt 2017, als 400 Haselmäuse von der Autobahn 61 auf die Königshovener Höhe gebracht wurden. „Und das erfolgreich“, wie Eßer sagt. „Die Tiere fühlen sich dort nicht nur wohl, sondern produzieren mittlerweile auch fleißig Nachwuchs.“

Die Haselmaus wird nachts aktiv. In der Dunkelheit geht sie auf Nahrungssuche – sie bevorzugt Beeren, lässt sich aber auch Spinnen und andere Kleininsekten schmecken. „Einfangen lassen sich die Tiere zu dieser Stunde natürlich nicht“, sagt Gregor Eßer. Um den knapp 15 Zentimeter langen Nagern dennoch habhaft zu werden, bedienen sich die Experten eines Tricks.

Sie haben einen Haselmaus-Kasten entwickelt, der den Tieren weitaus mehr Komfort bietet als deren Nester. „Die sogenannten Kobel werden zwar kunstfertig in den Zweigen angelegt, haben aber einen großen Nachteil. Bei starkem Regen wird es innen triefend nass – was nicht gerade optimal bei der Aufzucht der Jungen ist“, schildert Eßer. Sie sind nicht nur warm, sondern bieten darüber hinaus Schutz vor Witterung und Fressfeinden wie Fuchs und Wiesel. „Sie werden brillant angenommen“, sagt Eßer. „Ein absoluter Erfolgsschlager.“ Anders als bei Vogelnistkästen ist bei ihnen der Eingang auf der Rückseite. So können die Nager geschützt am Baum entlang in ihr „Holzhäuschen“ klettern.

Wenn die Haselmäuse tagsüber schlafen, werden die Rekultivierungs-Forscher aktiv: Sie verschließen die Kästen und siedeln sie mitsamt ihrem friedlich ratzenden Inhalt um. „Und zwar in Gebiete, die einerseits reich an Sträuchern sind und in denen andererseits noch keine großen Haselmaus-Populationen nachgewiesen wurden“, sagt Gregor Eßer. Vorzugsweise werden die Tiere mitsamt ihres Luxus-Nestes in der jungen, noch strauchreichen Rekultivierung ausgesetzt. Um alle Nistkästen wiederfinden zu können, werden ihre GPS-Daten gespeichert.

Zu jedem Umsiedlungs-Kasten wird ein weiterer hinzu gehängt, in dem es sich später der Nachwuchs bequem einrichten kann. „Die Erfolge können sich sehen lassen“, sagt Gregor Eßer. „Untersuchungen für Haselmaus-Umsiedlungen rund um die Tagebau Garzweiler, Hambach und Inden haben ergeben, dass sich die Tiere dort wahnsinnig vermehren. In der Rekultivierung finden sie weitaus mehr Nahrung als an ihren anderen Standorten.“

In jedem Jahr hängen die Forscher rund 450 neue Kästen in diesen Gebieten auf. „Mittlerweile haben wir dort die höchsten Haselmaus-Dichten in ganz Nordrhein-Westfalen“, berichtet Gregor Eßer. Zahlenmäßig belegen lässt sich dieser Eindruck zurzeit noch nicht. Denn die Forschungsstelle hat zwar 2020 mit Zählungen begonnen, es wird aber voraussichtlich noch zwei bis drei Jahre dauern, bis belastbare Zahlen präsentiert werden können. „Ich denke, dass wir rund um die Tagebaue in einem hohen vierstelligen Bereich liegen werden“, wagt Gregor Eßer eine Prognose.

Eine der größten Haselmaus-Populationen befindet sich auf der Sophienhöhe bei Jülich. Dort bietet die Forschungsstelle auch Exkursionen auf einem Naturlehrpfad an, dessen Maskottchen die Haselmaus Sophie ist. Die geschulten Führer geben dabei auch einen Einblick in einen Haselmauskasten. Für die Zeit der Corona-Krise wurden die naturkundlichen Wanderungen abgesagt. „Wir hoffen, dass sie möglichst bald wieder angeboten werden können“, sagt Gregor Eßer.

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