Europawahl-Nachlese in Grevenbroich Die Partei des Kohleausstiegs ist der Wahlgewinner

Grevenbroich/Jüchen · Mit ihrer Anti-Kohle-Haltung konnten die Grünen bislang keinen Staat in der Energie-Stadt machen. Nach der Europawahl ist das anders. Die Tür für ein neues Denken ist geöffnet worden, sagt Sprecher Peter Gehrmann.

 Auch an einer der prominentesten Adressen Grevenbroichs, in der Villa Erckens, wurden am Sonntag die Stimmen ausgezählt.

Auch an einer der prominentesten Adressen Grevenbroichs, in der Villa Erckens, wurden am Sonntag die Stimmen ausgezählt.

Foto: Georg Salzburg(salz)

Nach der Europawahl gehen die Parteien jetzt an die Analyse. Trotz Verlusten zeigt sich der Grevenbroicher CDU-Chef Wolfgang Kaiser zufrieden mit dem Ergebnis auf Kreis- und Stadtebene. Das starke Ergebnis der Grünen gibt ihm aber zu denken. „Ich glaube, dass das Thema Klimawandel und Braunkohle vor allem bei den jungen Wählern eine große Rolle gespielt hat“, sagt Kaiser. „Für uns gilt es nun, hart daran zu arbeiten, junge Menschen davon zu überzeugen, dass wir in der Lage sind, den Klimawandel mit gesundem Menschenverstand zu meistern.“

Mit 31,8 Prozent erreicht die CDU in Grevenbroich etwas weniger als im Kreisschnitt. Ein Erfolg: Die Union konnte sich in 24 der 25 Kommunalwahlbezirken als stärkste Kraft durchsetzen. Lediglich in Neurath müssen sich die Christdemokraten (26,1 Prozent) knapp der SPD (26,3 Prozent) geschlagen geben, die dort ihr bestes Ergebnis einfuhr. Hochburgen der CDU sind die Kommunalwahlbezirke Stadtmitte-Zentrum (41,8) und Neukirchen (41,6 Prozent) – dort wohnen sowohl CDU-Parteichef Wolfgang Kaiser als auch Bürgermeister Klaus Krützen (SPD).

Ausgerechnet an Krützens Wohnort müssen die Sozialdemokraten ihr schlechtestes Ergebnis unter den 25 Kommunalwahlbezirken einstecken. Sie erreichen in Neukirchen lediglich 14,2 Prozent der Stimmen, in Hülchrath/Langwaden/Neubrück mit 14,8 Prozent nur wenig mehr. Stadtweit rutschten sie im Vergleich der Europawahl 2014 erdrutschartig von 31,7 auf 19 Prozent. „Ein schlimmer Tag für uns Sozialdemokraten“, sagt Klaus Krützen. Dennoch geht er optimistisch in die 2020 anstehende Kommunalwahl, bei der er wieder antritt. „Das wird eine Persönlichkeitswahl, in der es darum geht, wer was für die Stadt getan hat.“

Jürgen Linges, einer der beiden Stadtverbands-Chefs, bezeichnete das Europawahlergebnis als allgemein für die SPD niederschmetternd. „Die Diskussion ist auf den Klimaschutz fokussiert, davon profitieren die Grünen, ohne Lösungen anzubieten“, sagt Linges. In der Bundes-SPD müsse etwas passieren, „man sollte darüber nachdenken, an der Spitze Personal auszutauschen“. Ein Lichtblick: Mehr als 20 Prozent erreichte die SPD etwa in Gustorf und Frimmersdorf.

In diesen beiden Orten punkteten die Grünen mit unter neun Prozent am wenigsten. Stadtweit konnten sie ihr Ergebnis auf 17,1 Prozent weit mehr als verdoppeln, lagen damit aber vier Prozent unter dem Kreisschnitt. Am besten schnitten sie mit 22,2 Prozent in Kapellen – unter anderem im Neubaugebiet – ab. Dort, aber auch etwa in Neukirchen und in Hülchrath/Langwaden liegen die Grünen deutlich vor der SPD. „Der Kohlekompromiss hat die Tür für ein neues Denken geöffnet“, wertet Grünen-Sprecher Peter Gehrmann das Ergebnis. „Der Strukturwandel muss endlich von allen Seiten konstruktiv angepackt werden – und wir dürfen uns nicht mit unerwünschten Projekten wie der Landstraße 361n aufhalten.“

Auch die Freien Demokraten steigern ihr Stadt-Ergebnis kräftig auf 9,4 Prozent. „Das an sich schon erschütternde Kopf-an-Kopf-Rennen von AfD und Freien Demokraten haben wir mit 27 Stimmen in Grevenbroich gewonnen“, sagt FDP-Chef Markus Schumacher. Das beste Resultat erzielen die Liberalen an seinem Wohnort in Gindorf (16,6 Prozent). Ganz knapp hinter der FDP liegt die AfD mit 9,3 Prozent (2014: 5,2). Überdurchschnittlich schnitt sie beispielsweise im Wahlbezirk 0231 (Neurath-Nord) mit 17,1 Prozent ab. In mehreren Wahlbezirken liegt die AfD aber unter fünf Prozent, etwa im Wahlbezirk 0082 in der Stadtmitte (3,5 Prozent).

In Jüchen hat die CDU um zehn Prozent verloren. „Ein erwarteter Verlust“, sagt Bürgermeister Harald Zillikens. „In der Summe muss ich feststellen, dass die Parteien, die Europa tragen, immer noch eine deutliche Mehrheit haben – dazu gehören auch die Grünen.“ Die erreichten in Jüchen 18,6 Prozent – „sicherlich auch ein Ergebnis der ,Fridays for future’-Bewegung“, meint Zillikens. Dass die FDP in Jüchen mit 10,3 Prozent abgeschnitten hat, bezeichnet Ortsverbandsvorsitzender Simon Kell zwar als zufriedenstellend. Er habe aber auf zwölf Prozent und mehr gehofft.

Auffällig ist, dass die CDU in Jüchen vor allem in den Dörfern rund um Schloss Dyck die höchsten Ergebnisse mit bis zu 40,79 Prozent in Aldenhoven erreicht hat. Besonders schlecht schneidet die SPD in Hochneukirch-Holz mit 8,8 Prozent der Stimmen ab. Die AfD hat dagegen in Hochneukirch ihre Hochburgen mit Werten bis zu 13,64 Prozent gehabt.

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