Spiritueller Zwischenruf Für ihre Wächterfunktion braucht keine Kirche ein Licht

Langwaden · Wegen der drohenden Energiekrise werden viele große Gebäude nachts nicht mehr angestrahlt. Eine späte Einsicht, meint der Zisterzienser-Prior Bruno Robeck.

Bruno Robeck ist Prior der Langwadener Zisterziensermönche.

Bruno Robeck ist Prior der Langwadener Zisterziensermönche.

Foto: Melanie Zanin

Wer es in den Nachrichten überlesen oder überhört haben sollte, wird es in den kommenden Wochen merken – spätestens wenn wir in gut zwei Wochen die kalendarische Tag- und Nachtgleiche hinter uns gelassen haben. Nachts wird es jetzt wirklich dunkler, weil die großen Gebäude nicht mehr angestrahlt werden. Im Rheinland wurde immer wieder darauf hingewiesen, dass auch der Kölner Dom nachts dunkel bleibt.

Dombaumeister Peter Füssenich sieht die Dunkelheit selbstbewusst und gelassen: „Trotz Dunkelheit würde der Dom aber auf die Kölner aufpassen“, sagt er. Für die Wächterfunktion braucht das Gotteshaus also kein Licht. Eine späte Einsicht, die durchaus schon vor den Energiesparmaßnahmen hätte kommen können. Denn der Dom – oder genauer gesagt, derjenige, für den der Dom erbaut worden ist (also Gott selbst) – wacht über die Menschen, mit und ohne Beleuchtung.

Mir scheint das Anstrahlen von Kirchen keine religiöse Bedeutung zu haben, sondern eher ein Einlassen auf den Zeitgeist, der alles im strahlenden Glanz erscheinen lassen will. Die Kirchen sollten den von Gott gegebenen Rhythmus von Tag und Nacht akzeptieren. Mit der übrigen Umgebung versinken die Kirchen nachts im Dunkel, um am Morgen wieder aufzutauchen.

Die alte Kirche hatte sich klaglos den Tageszeiten unterworfen und sie geistlich fruchtbar gemacht. Der Altarraum der alten Kirchen zeigt nach Osten, sodass die Betenden am frühen Morgen immer in die Richtung der aufgehenden Sonne schauten und an den auferstandenen Christus erinnert wurden. Die Westseite der alten Kirchen ist meistens wehrhaft gestaltet. Mit der untergehenden Sonne im Westen steigt die Dunkelheit empor, die durch das Westwerk der Kirchengebäude abgewehrt werden sollte. Hier ist kein Einlass für dunkle und bedrängende Gedanken.

Die frühe Kirche versuchte nicht, aus eigener Kraft Helligkeit herzustellen, sondern sie suchte nach Gottes Licht. Dies wäre auch eine Aufgabe für heute. Wir brauchen eine innere Erleuchtung, keinen äußeren Schein. Nicht aus Sparzwang sollten die Kirchen dunkel bleiben, sondern weil es gut ist, die Dunkelheit zu akzeptieren und mit ihr zu leben.

Dunkelheit bedeutet Unterbrechung des geschäftigen Treibens. Dunkelheit bedeutet, sich beschränken und still werden müssen, was erholsam, aber auch beängstigend sein kann. Dunkelheit ist nicht zu jeder Zeit und in jeder Form gut. Manchmal muss man gegen sie ankämpfen. Die Dunkelheit der Unwissenheit sollten wir zu erhellen suchen, um Krankheiten zu bekämpfen. Die Finsternis des Hasses sollten wir überwinden, um Streit und Krieg zu vermeiden.

Die Dunkelheit der Gebäude können wir verschmerzen, wenn es genug Dinge gibt, die den Menschen von Innen erhellen durch Freude, Mitgefühl oder eine Hoffnungsperspektive. In der Zeiten der nicht enden wollenden Coronapandemie, des anhaltenden Ukrainekrieges und der sich erst aufbauenden Klimakrise brauchen wir diese innere Helligkeit. Und wir brauchen Menschen, die selbst eine gewisse Ausstrahlung haben und die fähig sind, Licht in das Leben ihrer Mitmenschen zu bringen.

Prior Bruno Robeck, OCist

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