„Berliner Gespräche“ in Grevenbroich Regeln für den Strukturwandel gesucht

Grevenbroich · Die Kohlekommission hat den Ausstieg aus der Braunkohle für das Jahr 2038 festgelegt. Der Rahmen steht, ansonsten ist vieles unklar. Eine SPD-Diskussionsrunde widmete sich den Chancen und Gefahren fürs Rheinische Revier.

 Der Tagebau Garzweiler mit der Sicht auf Jüchen im Endanflug auf Düsseldorf aus der Luft aufgenommen.

Der Tagebau Garzweiler mit der Sicht auf Jüchen im Endanflug auf Düsseldorf aus der Luft aufgenommen.

Foto: Horst Thoren

Der Strukturwandel im Rheinischen Revier wird die Mammutaufgabe der nächsten Jahrzehnte. Alle wissen, dass er geschehen muss. Wie ist noch unklar. Die SPD im Rhein-Kreis Neuss und in Mönchengladbach lud aus diesem Anlass zu einer Diskussionsrunde ins Museum der Niederrheinischen Seele in Grevenbroich. Dort diskutierte am Montagabend der Präsident der Hochschule Niederrhein Hanns-Henning von Grünberg mit Grevenbroichs Bürgermeister Klaus Krützen, Angela Schoofs von der Agentur für Arbeit und Udo Fischer vom DGB.

In einer grundsätzlichen Frage waren sich dabei alle Teilnehmer einig: Der Strukturwandel bietet Chancen für die Region. Im Detail variierten die Einschätzungen allerdings von euphorisch bei von Grünberg („Da ist ein Gefühl des Aufbruchs“) bis bremsend bei Fischer („Wir müssen das Schritt für Schritt angehen“). „Selbst in Grevenbroich muss man das differenzieren“, sagte Krützen. Er selbst wohne in Neukirchen. Dort beschäftige das Thema die Menschen kaum. „Im Süden der Stadt hat man jahrelang sehr gut von der Braunkohle gelebt, die Sorge ist dort viel größer – und auch begründbarer.“

Der Wandel weg von der Braunkohle ist für die SPD zum strategisches Problem geworden. In Zeiten der „Fridays for Future“-Demonstrationen boomt das Thema Klimaschutz. Die SPD umgibt hingegen der Nimbus der alten Kohlepartei. Kein Wunder also, dass sich die Diskutanten auch an den Grünen abarbeiteten. „Bei grünen Positionen fehle oft die Faktenkenntnis“, sagte Krützen. Fischer unterstützte ihn. „Ich gehe nicht mehr zu den Grünen. Die Diskussionen da sind fernab jeder Realität“, sagte er.

Bei der SPD, so die Botschaft, sollte die Sachlichkeit im Vordergrund stehen. Viel wurde dabei über die ZRR, die Zukunftsagentur Rheinisches Revier, geredet. Für Krützen haben die Kommunen, die ja über die Planungshoheit verfügen, dort zu wenig Mitspracherecht. „Das sind sich alle Bürgermeister einig, unabhängig vom Parteibuch“, sagte er. Fischer nannte die ZRR eine „reine Veranstaltung der Landräte“.

 Felix Heinrichs (v.l.), Hans-Henning von Grünberg, Andreas Behncke, Rainer Thiel, Daniel Rinkert, Angela Schoofs, Udo Fischer und Hans-Willi Körfges.

Felix Heinrichs (v.l.), Hans-Henning von Grünberg, Andreas Behncke, Rainer Thiel, Daniel Rinkert, Angela Schoofs, Udo Fischer und Hans-Willi Körfges.

Foto: Dieter Staniek

Sachlichkeit war auch das Thema von Angela Schoofs. Die Chefin der Agentur für Arbeit Mönchengladbach/Rhein-Kreis Neuss forderte, Machtspiele bei Seite zu lassen. „Es muss schnell gehandelt werden. Das heißt jetzt, bis Ende des Jahres 2019“, sagte sie. „Wir müssen Menschen befähigen, wir müssen sie mitnehmen.“ Das Geld dafür sei da. Fischer hingegen bezweifelte, dass der Strukturwandel für alle Braunkohle-Beschäftigten gut ausgehe. „Wir werden Menschen zurücklassen. Das ist klar“, sagte er.

Einig waren sich alle Anwesenden darin, dass die Herausforderungen nur gemeinsam zu leisten seien. „Wir müssen Regeln einsetzen, damit sich die besten Ideen durchsetzen“, sagte von Grünberg. Gebietskörperschaften dürften keine Rolle spielen. „Das Regionalpläne an Bezirksgrenzen enden ist schizophren“, sagte Krützen. In einem Fazit forderte sein SPD-Kreisvorsitzender Rainer Thiel daher einen gemeinsamen Ausschuss, der sich aus den Regionalräten Düsseldorf und Köln bilden soll. Als Instrument mit Entscheidungskompetenz.

Es bleibt noch viel zu tun bis zum endgültigen Ausstieg aus der Braunkohle. Von Grünberg wagte dennoch schon einen Blick in die Zukunft. „Riesige Löcher in der Landschaft, einen Dom weggebaggern – das ist im Grunde pervers“, sagte er. Das sei irgendwann so unvorstellbar wie heute das geteilte Berlin.

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