Spiritueller Zwischenruf aus dem Kloster Langwaden Das Leben jedes Menschen schätzen
Langwaden · Die Welt trauert um prominente Verstorbene. Doch was ist mit denen, die im eigenen Umfeld sterben oder in der Anonymität unterzugehen drohen, fragt Bruno Robeck, Prior der Zisterzienser aus Langwaden.
Gorbi ist tot. Die Queen ist gestorben. Und mir ist auch schon ganz schlecht…“ Diese Gedankenfolge hat etwas. Sie stellt uns die Sterblichkeit aller Menschen vor Augen – und plötzlich bekomme ich selber ein mulmiges Gefühl. Der Tod erschüttert. Auch die Großen, Mächtigen und Berühmten sind irgendwann an der Reihe – selbst wenn man bei Queen Elisabeth das Gefühl hatte, sie werde vielleicht nie sterben.
Michail Gorbatschow und Elisabeth II. ragen in diesem Reigen der Verstorbenen hervor: der letzte Präsident der Sowjetunion, der ein neues Kapitel der politischen Weltgeschichte zu schreiben begann, und die britische Monarchin, die in den rasanten Zeitläufen der letzten 70 Jahre zu einer Ikone eines stabilen Wertekanons wurde. Beide haben nun unsere Welt verlassen. Mit Recht haben viele Menschen an ihrem Tod Anteil genommen und werden ihre Präsenz vermissen. Manch einer fragt sich, wie es weiter geht im heutigen Russland und in der Ausgestaltung der britischen Monarchie.
Neben diesen prominenten Meldungen gibt es aber auch die Todesnachrichten aus dem eigenen Umfeld. In meiner Nähe merke ich in letzter Zeit eine deutliche Zunahme. Hier bin ich persönlich betroffen, weil ich die Verstorbenen und ihre Hinterbliebenen kenne. Wieder muss ich lernen, zu verzichten und ohne einen bekannten Menschen zu leben. Wieder wird mir bewusst, dass der Tod auch unausweichlich auf mich zukommt. Wann, wo und wie, das weiß ich nicht. Neben der Sicherheit, dass er kommt, habe ich die Erfahrung gemacht, dass er meistens zunächst zu einem anderen kommt, als ich vermutet habe.
Auch das kann ein mulmiges Gefühl hervorrufen. Und dann gibt es noch die vielen Toten, die wir nicht kennen. Ich denke an die vielen Toten des Ukrainekrieges, an die Opfer der Flutkatastrophe in Pakistan und an die Menschen, die immer noch täglich an den Folgen von Covid-19 sterben. Gerade letztere Gruppe will Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach nicht vergessen wissen.
Ich finde es bewundernswert, mit welcher Beharrlichkeit er sich dafür einsetzt, dass wir uns nicht an eine dreistellige tägliche Anzahl von Corona-Toten gewöhnen sollen. Ich unterstütze seinen Appell, dass wir alles tun müssen, um das Leben zu schützen. Am ehesten werden wir das Leben schützen, wenn wir es schätzen. Wir sollten lernen, das Leben aller Menschen zu schätzen. Wir sollten nicht nur auf die großen, bekannten Menschen schauen, sondern auf alle – vor allem auf die, die in der Anonymität unterzugehen drohen, weil sie vereinsamt in ihrer Wohnung sitzen oder im großen Kameraschwenk der Katastrophenmeldung nicht auszumachen sind. Wir sollten das Leben eines jeden Menschen schätzen – gerade weil es einmalig und endlich ist. Bei großen Persönlichkeiten oder uns selbst scheint es uns einleuchtend, es gilt aber ebenso für diejenigen, die wir nicht sehen. Die Frage angesichts der vielen Krisen bleibt: Was kann ich tun, um das Leben aller zu schützen?
Prior Bruno Robeck, OCist