Paten an der Käthe-Kollwitz-Gesamtschule Geschichte in Wörtern ver-dichten

Paten an der Käthe-Kollwitz-Gesamtschule · Kann man Gedichte inszenieren? Man kann. Sogar in einer Schule. Dabei gehört Lyrik in der Regel nicht gerade zu den Lieblingen des Deutschunterrichts - zumindest aus Schülersicht. Aber vielleicht liegt das ja auch nur an der Form der Vermittlung, am Zwang, interpretieren zu müssen, was oft nur wenige Worte sagen und Lehrer hören wollen? Am Garderobenständer voller Gedichte: die Malerin und Fotografin Ute Langanky, die Käthe-Kollwitz-Schüler Kai Fischer und Carolina Baums und der Lyriker Thomas Kling (v.l.n.r.). NGZ-Foto: L. Berns -->

Kann man Gedichte inszenieren? Man kann. Sogar in einer Schule. Dabei gehört Lyrik in der Regel nicht gerade zu den Lieblingen des Deutschunterrichts - zumindest aus Schülersicht. Aber vielleicht liegt das ja auch nur an der Form der Vermittlung, am Zwang, interpretieren zu müssen, was oft nur wenige Worte sagen und Lehrer hören wollen? Am Garderobenständer voller Gedichte: die Malerin und Fotografin Ute Langanky, die Käthe-Kollwitz-Schüler Kai Fischer und Carolina Baums und der Lyriker Thomas Kling (v.l.n.r.). NGZ-Foto: L. Berns -->

Doch das Ganze einmal umzudrehen, zuerst das Thema recherchieren, das Ergebnis selbst in eine lyrische Form packen und sich dann noch trauen, das Gedicht vor versammelter Mitschülermannschaft vorzutragen - das kommt in heutigen Pisa-Zeiten fast schon einer Revolution gleich. Aber wenn deren Speerspitze von einem der bedeutendsten zeitgenössischen Lyriker verkörpert wird ...

Thomas Kling ist da schon ein Wiederholungstäter. Schon zum dritten Mal begleitete und animierte er zusammen mit der Malerin und Fotografin Ute Langanky an der Käthe-Kollwitz-Gesamtschule ein Projekt für Lyrik und Bildende Kunst, in dessen Rahmen Schüler der Oberstufe einen Stoff bearbeiten und in eigener Sprachform ver-dichten oder auch in Bildern ver-arbeiten. Rund 200 Jugendliche haben sich daran beteiligt (wobei dieses Mal die Lyrik im Vordergrund stand) und Mittwoch im Forum eine gemeinsame Veranstaltung präsentiert, die etliche Vorurteile über 15- bis 18-Jährige ad absurdum führen: Von wegen Sprachlosigkeit! Von wegen Nichtzuhörenkönnen! Von wegen Gleichgültigkeit!

Dabei waren unter den Jugendlichen sicherlich etliche, die - wie Schulleiter von Medem ganz sachlich festhielt - das Projekt "sehr kritisch" sahen, aber auch diese begegneten denen, für die es offensichtlich eine "besonderes Erlebnis" war, mit Respekt. Stillschweigen während der, nur leises Raunen zwischen den Lesungen, heftiger Applaus danach - von Medem hatte schon Recht, als er sagte, hier passiere eigentlich "Unglaubliches". Und dennoch hatte die Veranstaltung nichts Weihevolles, nichts Steifes, was indes gleich an mehreren Faktoren lag.

Kling und Langanky hatten in Anlehnung an ihre Ausstellung "Zinnen" in der alten Synagoge in Hülchrath die Jugendlichen in die Vergangenheit geschickt, in die der eigenen Familie, der Stadt und der Region und ihnen somit ganz direkte, persönliche Erlebnisse beschert. Ob Judenverfolgung, Hexenverbrennung oder Starfighter-Absturz: "Geschichte vollzieht sich direkt vor unseren Haustüren" - das Fazit einer fächerübergreifender Behandlung des Themas (in Deutsch und Geschichte), die in Form einer kleinen, gut durchdachten Revue präsentiert wurde, traf ins Schwarze.

Zudem präsentierten sich beide Künstler derart unkompliziert und spontan, dass jeder nach dieser Veranstaltung eigentlich mit dem Bild vom "Künstler im Elfenbeinturm" nichts mehr anfangen können dürfte. Vor allem Thomas Kling beeindruckte. Mit seinem Feuer beim Lesen der eigenen Werke, aber auch in seiner Begeisterung für die Arbeiten der Schüler - was er auch ohne jeden Schnörkel ausdrückte, von einem Gedicht etwa schon mal von einem "sehr starken Teil" sprach. Er machte es den Jugendlichen einfach, die Vorstellung ein wenig wie einen Event zu genießen.

Dass es dem Dichter schwer gefallen war, aus zwölf von Lehrern vorausgewählten und ihm zugesandten Gedichten vier zu benennen, die er für die Besten hält, glaubte man ihm da aufs Wort. Aber irgendwie hat er es doch geschafft: Gerrit Bramsmann, Sandra Kleinert, Kai Fischer und an der Spitze gleich ein Dichterinnen-Dreierpack mit Eva Sassen, Eva Ramczykowski und Claudia Scheer wurden für ihre Arbeiten jeweils mit einer Ausgabe von Thomas Klings "Sprachspeicher" belohnt. Helga Bittner

(NGZ)
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