Die wahre Geschichte über Daidalos Genie ohne lästige Skrupel

Die wahre Geschichte über Daidalos · Mit einer Reise in die Welt des antiken Griechenlands startete jetzt das Theaterfestival "Minestrone". Die Theatergruppe des Erasmus-Gymnasiums brachte "Daidalos oder die Kunst oben zubleiben" auf die Bühne. Mit dieser aktuellen Produktion feierte das Ensemble eine gelungene Premiere - und setzte auch Maßstäbe für die weiteren Stücke, die im Rahmen des vierten Grevenbroicher Schultheaterfestivals gezeigt wurden. Mehr als 200 Schüler aus Grevenbroich und Umgebung kommen dabei auf die "Bretter, die die Welt bedeuten".

Alle zwei Jahren können sich Schulen an dem schon traditionellen Festival beteiligen. Dann weht etwas Bühnenluft durch die Aula des Erasmus-Gymnasiums. 1996 von Bernd Caise, Lehrer am Erasmus, ins Leben gerufen, hat "Minestrone" einen festen Platz im Kulturkalender der Schloss-Stadt. Eröffnet wird das Festival stets mit einem Stück der gastgebenden Theatergruppe, die Chaise mit seinem Kollegen Wolfgang Frey leitet. Wer kennt nicht die Geschichte von Daidalos, dem berühmten Athener Baumeister, der mit seinem Sohn Ikarus mit Flügeln aus Vogelfedern und Wachs fliegen übte?

Das Ende ist bekannt: Ikarus wurde übermütig, kam der Sonne zu nah, das Wachs seiner Flügel schmolz und der junge Mann stürzte ab. Doch die Erasmus-Theatergruppe erzählt nun endlich die ganze Geschichte. Da ist zunächst einmal Daidalos, der Künstler aus Athen, der nicht erträgt, dass der Einfallsreichtum seines Neffen Talos ihn zu überflügeln droht. Nach einem Streit ermordet er den jungen Mann und muss aus seiner Heimat fliehen. Mit einer gehörigen Portion Genialität, aber vor allem mit Lügen und Opportunismus, gelingt es ihm, sich auf Kreta eine neue Existenz aufzubauen.

Der Herrscher des Inselreichs, König Minos, schenkt dem Künstler sein Vertrauen, was dieser gründlich ausnutzt. Als Königin Pasiphae den Minotaurus empfängt, baut Daidalos auch das Labyrinth, in dem der Minotaurus fortan lebt. Der Rest des Mythos ist auch bekannt: Der athenische Held Theseus kommt nach Kreta, um den Minotaurus zu töten - und entkommt mit Hilfe der Königstochter Ariadne (und einem Wollknäuel) dem Labyrinth. Der zornige Herrscher wirft daraufhin Daidalos und seinen Sohn Ikarus in den Irrgarten, dem beide nun mit Wachsflügeln entfliehen. Doch während Ikarus abstürzt, schafft es sein Vater mit der bewährten Taktik - weder zu hoch noch zu niedrig zu fliegen - wieder einmal oben zu bleiben.

Das Stück, aufgeführt mit den Elementen des antiken Theaters, weist auch viele Bezüge zur Moderne auf. Politische Anspielungen, Verweise auf den technischen Fortschritt sowie Andeutungen über moralisch-ethische Probleme werden mit Witz, Ironie und verfremdenden Effekten dargestellt. Sie durchziehen die Produktion wie ein Ariadne-Faden. Die Mischung aus Ernsthaftigkeit und Humor wirkt oft verstörend, ist dadurch jedoch sehr reizvoll. Benedikt Krienen als negativer Held schafft es hervorragend, im Zuschauer widerstreitende Gefühle zu wecken.

Sein Daidalos, mit irr rollenden Augen und nie um eine Ausrede verlegen, wächst ans Herz und stößt gleichermaßen ab. Als Publikumsliebling entpuppt sich Saskia Pesch in der Rolle der lispelnden, intriganten Königstochter Phaedra. Ihrem Können standen Mareike Freitag (Königin Pasiphae), Anne Velder als Tango-tanzende Sklavin Daphne, Sarah Sitz als Hippie-Prinzessin Ariadne und Xaver Oehmen als Mythenkönig mit Laptop und Reitgerte in nichts nach.

"Daidalos" wird nochmals am kommenden Donnerstag um 19.30 Uhr im Erasmus-Gymnasium gezeigt. Dienstag Abend zeigt der Literaturkurs der Jahrgangsstufe 12 der Käthe-Kollwitz-Gesamtschule "Die unruhige Regierungszeit und der jammervolle Tod König Eduards II." frei nach Christopher Marlowe. Am kommenden Wochenende lädt die JUKS in die Alte Feuerwache zu "Hollywood Backstage" ein. reP

(NGZ)
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