Friedhofsverbot für Mann aus Schwalmtal So verschwand das Grevenbroicher Familiengrab

Schwalmtal · Das verschwundene Familiengrab der Familie Weidemann aus Grevenbroich gab Rätsel auf. Nun setzt sich das Puzzle nach und nach zusammen. Schlüsselfigur scheint Karl Kragt aus Schwalmtal zu sein. Der wollte sich eigentlich nur Steine holen, um einen Grill zu bauen.

 Mit den Steinplatten habe er einen Grill bauen wollen, sagt Karl Kragt. Bei den Abbruch-Arbeiten beschädigte er das Nachbargrab.

Mit den Steinplatten habe er einen Grill bauen wollen, sagt Karl Kragt. Bei den Abbruch-Arbeiten beschädigte er das Nachbargrab.

Foto: Jörg Knappe

Dass der Bau eines Grills damit enden könnte, dass nun Polizei und Staatsanwaltschaft gegen ihn ermitteln, hätte Karl Kragt nie gedacht. Ende 2017 meldete sich der Waldnieler auf eine Annonce. Franz Maes hatte eine Kleinanzeige aufgegeben. Das Grab der Familie Maes auf dem Friedhof in Grevenbroich läuft Mitte 2018 ab - beim Friedhofsamt hatte sich Maes die Erlaubnis geholt, die Grabstätte etwas früher räumen zu dürfen, nämlich noch 2017.

Seine Idee: Den Grabstein, drei schwere Marmorplatten und die Umrandung wollte er an einen Bedürftigen verschenken. "Gräber sind teuer", sagt der Ur-Grevenbroicher, der heute in Düsseldorf lebt: "Ich wollte jemandem damit etwas Gutes tun."

Maes inserierte, und auf seine Annonce hin meldete sich Kragt. "Er holte das Grab am 1. Dezember ab und hatte für die Räumungsarbeiten einen Unternehmer angeheuert, der mit drei Mitarbeitern nach Grevenbroich gekommen war", berichtet Maes. Vor dem Grab soll es dann zu einem handfesten Streit zwischen dem Waldnieler und dem Firmenchef gekommen sein, woraufhin letzterer mit seiner Mannschaft wieder abrückte. "Der Unternehmer hat mich danach angerufen und sich dafür entschuldigt, dass er alles wie Kraut und Rüben hinterlassen musste", sagt Maes.

 Kurz vor Weihnachten stellten Adolf und Liesel Weidemann fest, dass ihr Familiengrab von Unbekannten geräumt und planiert worden war. Das Ehepaar erstattete Anzeige. Zum Jahreswechsel tauchte der Grabstein wieder auf.

Kurz vor Weihnachten stellten Adolf und Liesel Weidemann fest, dass ihr Familiengrab von Unbekannten geräumt und planiert worden war. Das Ehepaar erstattete Anzeige. Zum Jahreswechsel tauchte der Grabstein wieder auf.

Foto: Lothar Berns

Davon habe er sich am 3. Dezember, einem Sonntag, selbst überzeugt. "Da lag alles noch wild auf dem Grab herum", sagt der 70-Jährige. Tags darauf, beim erneuten Besuch auf dem Friedhof, seien aber Marmorplatten und Umrandung verschwunden gewesen. "Nur der Grabstein stand noch dort, die dazu gehörende Madonnenfigur und die Inschrift aus Metall waren aber abmontiert worden", berichtet Maes. Was ihm auffiel: "Auch das nebenan liegende Grab der Familie Weidemann war weg."

Daraufhin begann die Polizei, nach dem verschwundenen Grabstein vom Nachbargrab zu suchen. Wenige Tage vor Weihnachten hatten Adolf und Liesel Weidemann feststellen müssen, dass ihr Familiengrab von Unbekannten geräumt und planiert worden war, obwohl der Vertrag noch bis 2022 läuft. Das Ehepaar erstattete Anzeige wegen Diebstahls. Zum Jahreswechsel tauchte der Grabstein wieder auf - etwa 15 Zentimeter tief unter der Erde der Grabstätte. Auch ein Teil der Marmorumrandung lag dort.

Jemand musste den Stein vom Sockel gebrochen und in das Loch gestürzt haben, bevor er mit Erde zugedeckt wurde. "Er ist stark beschädigt, an den Seiten ist Marmor abgeplatzt - das lässt sich möglicherweise nicht mehr reparieren", sagt Adolf Weidemann. Das gelte erst recht für die Grabeinfassung aus Marmor, von der nur ein Bruchstück in unmittelbarer Nähe des Steins entdeckt wurde. Von der restlichen Umrandung fand sich keine Spur. Auch die Grablaterne fehlt.

Warum der Stein seiner Familie offensichtlich unter der Erde versteckt wurde, ist dem 78-Jährigen ein Rätsel: "Ich habe nicht die leiseste Ahnung, aus welchem Grund jemand auf solch eine Idee kommt."

Karl Kragt ist ebenso fassungslos, dass es so weit kommen konnte. Nachdem die Mitarbeiter des Unternehmens, mit denen er dort gewesen sei, um die Steine vom Grab der Familie Maes abzuräumen, hingeworfen hätten, habe er selbst weiter gearbeitet, erzählt Kragt. "Dabei habe ich festgestellt, dass die Steine miteinander durch Beton verbunden waren, sich nicht lösen ließen." Daraufhin habe er einen Spanngurt um den Grabstein gebunden und diesen ans Auto gespannt, um den Stein zu lösen. "Und dann habe ich festgestellt, dass der falsche Stein umgefallen ist", erzählt Kragt.

Er habe den Stein umgelegt, Erde darüber gegeben, und sei am nächsten Tag zurückgekehrt, um die ihm angebotenen Platten zu holen. Mit Helfern, die er an der Straße ansprach, habe er die Platten ins Auto geladen, "und alle waren happy".

Am folgenden Tag sei er in Urlaub gefahren, berichtet der Waldnieler. Erst bei der Rückkehr habe er erfahren, was inzwischen passiert sei. "Ich bin zur Kripo gegangen und habe gesagt, das war ein Unfall. Ich habe bei Weidemanns angerufen, um Entschuldigung gebeten, und zugesagt, dass ich das Grab wieder herstelle", sagt der 64-Jährige. Auch einen Steinmetz habe er um ein Angebot gebeten - und als er nichts hörte, sei er selbst hingefahren, um den Grabstein wieder aufzurichten.

Allerdings sei da ein Mitarbeiter des Friedhofsamts gekommen, der ihm gesagt habe, das Auto müsse weg, er dürfe dort nicht stehen, erzählt Kragt. Daraufhin habe er den Friedhof verlassen und sei nach etwa einer Stunde zurückgekehrt, um weiterzuarbeiten. Der Mitarbeiter des Friedhofsamts war immer noch da - und erteilte Kragt Hausverbot. Er darf den Friedhof jetzt nicht mehr betreten.

"Der Mitarbeiter hat konsequent gehandelt", sagt Robert Jordan, Sprecher der Stadt Grevenbroich. "Arbeiten an Grabsteinen dürfen nur von Fachkundigen durchgeführt werden." Dies auch deshalb, weil von losen oder nicht fachkundig versetzten Grabsteinen eine "nicht unerhebliche Gefahr" ausgehe, so Jordan. Nicht ohne Grund seien die Kommunen aufgefordert, Grabsteine auf ihren Friedhöfen einmal jährlich auf Standsicherheit hin zu überprüfen.

Die Weidemanns haben sich einen Anwalt genommen, der mit dem Waldnieler in Kontakt stehe und ihm Fristen gesetzt habe, die er aber habe verstreichen lassen, sagt Liesel Weidemann. Den Grabstein hat die Familie zwischenzeitlich in die Obhut eines Steinmetzes gegeben, der ihn wieder aufarbeiten soll. "Die ganze Sache hat uns bisher nur Ärger und Kosten beschert", sagt die Grevenbroicherin.

Kragt zufolge müsste es so teuer nicht sein: "Es soll 6800 Euro kosten, das Grab wieder herzustellen", sagt der 64-Jährige. "Dabei hat die Kripo die Grabumrandung beschlagnahmt, und die Grablaterne und die Schale habe ich in der Garage, die braucht man ja nicht neu zu kaufen."

Dass er nun gar Hausverbot auf dem Friedhof hat, ist Kragt unbegreiflich: "Die schießen mit Kanonen auf Spatzen. Ich wollte doch nur den Stein wieder aufrichten." Das Ganze tue ihm sehr leid: "Ich habe das ja nicht extra gemacht. Das war ein Unglücksfall, ein Versehen."

Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft

Anzeige Wegen des verschwundenen Grabes wurde zunächst Strafanzeige bei der Polizei Grevenbroich, später auch bei der Staatsanwaltschaft Mönchengladbach gestellt.

Strafe Nach Paragraf 168 des Strafgesetzbuches wird unter anderem der bestraft, der eine Aufbahrungs-, Beisetzungs- oder öffentliche Totengedenkstätte zerstört oder beschädigt.

(RP)
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