Mobilität in Grevenbroich Fahrradfreundlichkeit muss erarbeitet werden

Grevenbroich · Hintergrund & Analyse Zwar ist Grevenbroich Mitglied in der Arbeitsgemeinschaft fahrradfreundlicher Städte – aber unter Vorbehalt. Schon bei der Aufnahme in den Verbund wurde eine Mängelliste benannt. Knackpunkte sind etwa die Poller, die eine freie, sichere Fahrt behindern.

„Mit Bedenken und nur einer Stimme Mehrheit“ verlieh Thomas Nückel, Jury-Sprecher der Arbeitsgemeinschaft fußgänger- und fahrradfreundlicher Städte (AGFS) der Stadt Grevenbroich im vergangenen Herbst die Mitgliedschaft im Verbund. Ein großer Vertrauensvorschuss werde mit der Aufnahme in den AGFS gegeben „Wir wollen sehen, dass Sie bei der Stange bleiben“, proaktiv soll deshalb 2020 ein Bericht zur Weiterentwicklung abgegeben werden. Und bis dahin muss die nicht eben kurze Mängelliste abgearbeitet werden. Etwa an Brücken stehende Pfosten stellen eine große Unfallgefahr dar, lokale Wegweiser als Beschilderung sind oft ungünstig platziert, zugewuchert oder einfach zu gering in der Anzahl. Und richtig viel zu tun, so schrieb die AGFS der Verwaltung auf die „To do“-Liste, ist beim Mobilitätskonzept. Hier fehle bislang eine Vision, vorhandene Radwege seien teilweise zu schmal und die bauliche Qualität sei nicht eben gut, außerdem sind sie zu selten auf den Fahrbahnen integriert.

Zuständigkeit Seit Anfang des Jahres ist die Position des Verkehrsingenieurs in der Verwaltung vakant. Zu seinen Kernaufgaben gehört die Fuß- und Radwegplanung. „Technische Mitarbeiter zu finden, ist nicht leicht“, sagt Rathaussprecher Stephan Renner. „Wir konkurrieren hier mit anderen Kommunen.“ Ziel sei es, die „offene Stelle so schnell wie möglich zu besetzten“. Bis hierfür eine qualifizierte Person mit Hochschulabschluss der Fachrichtung Verkehrs- oder Bauingenieurwesen mit dem Schwerpunkt Verkehrsplanung oder Verkehrstechnik gefunden ist, teilen sich die Ressorts Verkehrslenkung sowie Tiefbau zusammen mit dem allgemeinen Planungsbereich diese Aufgabe. Übrigens sind auch die Ehrenamtler des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs (ADFC) wichtige Tipp-Geber.

 Gefahr in der Dämmerung: Dieser Poller am Erft-Radweg bei Frimmersdorf ist bei Dunkelheit schlecht zu erkennen.

Gefahr in der Dämmerung: Dieser Poller am Erft-Radweg bei Frimmersdorf ist bei Dunkelheit schlecht zu erkennen.

Foto: Stadt Grevenbroich

Projekt Als Pilotprojekt wurde mit Beginn der Sommerferien die Fußgängerzone für Radler geöffnet. Auch drei Wochen über das Ferienende hinaus soll die Idee getestet werden. „Eine begrüßenswerte Maßnahme“, wie Wolfgang Pleschka, Sprecher der Grevenbroicher Gruppe im ADFC, betonte. Prinzipiell gehe es „immer darum, mehr Rad und weniger Pkw zu fahren“ und das „Miteinander aller Verkehrsteilnehmer positiv zu gestalten“. „Bisher gibt es keine auffällige Beschwerdelage“, sind in der Verwaltung „keine Nutzungskonflikte bekannt“. Aber noch ist es zu früh, zu bilanzieren. Das wird dann der Bauausschuss tun. Und ob künftig die Einkaufsmeile rund um die Uhr frei für Radfahrer ist oder nicht, wird voraussichtlich in der Bauausschusssitzung im November 2019 bekannt gegeben.

Verkehrsführung Um die Situation für Radfahrer zu verbessern, öffnet die Verwaltung Einbahnstraßen. Im März 2019 hat der Bauausschuss die Öffnung der Dr. Hans-Wattler-Straße in Gustorf beschlossen. Weitere Beispiele: die Erlenstraße in Gustorf, Im Meiswinkel in Neurath und das namenlose Verbindungsstück zwischen Uhlandstraße und Schanze in Stadtmitte. Außerdem wurden in Zusammenarbeit mit dem ADFC die für Autofahrer als Sackgassen deklarierten Wege für Radler passierbar gemacht. Auffällig markierte Radwege als eine Art Schutzstreifen für Zweiradnutzer parallel zum Autoverkehr, wie in anderen Städten üblich, sind hier Mangelware. Mit der Schulnote 3,9 schnitt die Schlossstadt zuletzt beim sogenannten Fahrrad-Klimatest ab, belegte Rang 44 von 104 Teilnehmern. Was das Befahren von Radwegen, deren Oberfläche und Breite sowie die Wartung nebst Winterdienst betrifft: Da ist noch viel Luft nach oben.

 Die Brücke zum Wildgehege ist zu schmal, als dass Autos sie befahren könnten. Der Poller ist also unsinnig.

Die Brücke zum Wildgehege ist zu schmal, als dass Autos sie befahren könnten. Der Poller ist also unsinnig.

Foto: Stadt Grevenbroich

Hindernisse Sperrpfosten, Drängelgitter und Poller, „die meisten Umlaufsperren sind nicht für den Radverkehr, sondern gegen den motorisierten Verkehr aufgestellt. Dies geht zu Lasten des Radverkehrs und ist nicht weiter hinnehmbar“, betont ADFC-Vorsitzender Wolfgang Pleschka. Also beauftragte der Bauausschuss die Verwaltung, welche Hindernisse entfernt werden können. Am Erft-Radweg bei Frimmersdorf, an der K 39, dem Bahnhaltepunkt sowie der Erftstraße Richtung Bedburg werden sie nach eingehender Überprüfung entfernt, ebenso im Landesgartenschaugelände an der Apfelwiese, auf der Brücke zum Wildgehege oder an der Brücke zwischen Münchrath und Gruissem. „Diese Aufgabe, also zu überprüfen, wo die Poller entfernt werden können, wird ständig fortgesetzt“, betont Rathaussprecher Renner. Schrittweise würden alle Bereiche angeschaut.

Mobilität Grundsätzlich soll Fahrradfahren komfortabel sein, auch um den Umstieg vom Auto zu erleichtern. Reklame für diese grundsätzliche Idee versucht die Verwaltung mit dem „Stadtradeln“ zu machen. 2019 war Grevenbroich im dritten Jahr dabei, die Ergebnisse wurden gegenüber den Vorjahren verbessert – und lassen noch immer Luft nach oben. Nicht nur im Vergleich mit anderen Kommunen ähnlicher Größe. Auch intern bleiben bei 15 Teams und etwa 121 Aktiven doch Wünsche offen. Daran will die Verwaltung arbeiten.

 Freie Fahrt entlang des Waldwegs in Gustorf. Aus Sicht der Radler vorbildlich und nachahmenswert.

Freie Fahrt entlang des Waldwegs in Gustorf. Aus Sicht der Radler vorbildlich und nachahmenswert.

Foto: Stadt Grevenbroich

Finanzen Als Mitglied in der AGFS verfügt die Stadt nun über einen anderen Zugriff auf Fördertöpfe. Um Werbung fürs Radeln zu machen, ist jetzt der erste Antrag auf entsprechende Fördermittel gestellt worden. Mit dem Geld, über die konkrete Summe gibt es keine Angaben, soll für Kampagnen wie das Stadtradeln geworben werden. Aber auch in Schulen soll dann verstärkt Reklame fürs Zweirad gemacht werden, auch um einen Kontrapunkt zu den sogenannten Elterntaxis zu setzen. „Die Bewilligung dieser Mittel wird zum Jahresende erwartet“, sagt Stephan Renner.

Zunkunft Die Verwaltung will einiges für die Fahrradfreundlichkeit unternehmen. An Bahnhöfen sollen „vernünftige Verknüpfungen“ mit Ladestationen für E-Bikes, sicheren Aufbewahrungsstellen für Räder aller Art ebenso wie Verleihstationen entstehen – letztere sind bislang Mangelware und im vergangenen „Klimatest“ entsprechend mit der Schulnote „Mangelhaft“ bewertet worden. Was davon umgesetzt wird oder lediglich Lippenbekenntnis bleibt, wird sich zeigen.

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