Grevenbroich Erziehungsstellen sind wichtige Ersatzfamilien

Grevenbroich · Seit 25 Jahren gibt es Erziehungsstellen an St. Stephanus. Sie geben Kindern aus sozial schwierigen Verhältnissen ein neues Zuhause.

 Veronika Koll (li), Erziehungsstellen-Mutter, mit den Beraterinnen Gabi Krings, Doris Becker und Ulrike Härtel sowie Uschi Pütz von St. Stephanus

Veronika Koll (li), Erziehungsstellen-Mutter, mit den Beraterinnen Gabi Krings, Doris Becker und Ulrike Härtel sowie Uschi Pütz von St. Stephanus

Foto: LBer

Erziehungsstellen im Haus St. Stephanus gibt es inzwischen seit 25 Jahren. Entstanden ist die erste ihrer Art durch Volker Abrahmczik, damals Mitarbeiter in einer Wohngruppe für Kinder, die nicht bei den eigenen Eltern leben konnten oder wollten, heute ist er Einrichtungsleiter. Er entschloss sich damals, mit seiner Familie im eigenen Rahmen und mit behördlicher Erlaubnis einem der Wohngruppen-Mädchen ein neues, dauerhaftes Zuhause zu bieten. Die Idee machte Schule: In den vergangenen 25 Jahren konnten 64 Kinder in einer belastbaren und pädagogisch qualifizierten Ersatzfamilie groß werden.

Was sperrig klingt, ist ein Hilfsangebot, "eine Chance für diejenigen, die bei ihren leiblichen Eltern mehr als komplizierten Lebensverhältnissen ausgesetzt sind, sei es durch Drogen- oder Alkoholsucht der Erziehungsberechtigten, weil sie selbst noch halbe Kinder oder mit ihrem Leben schlicht überfordert sind", erklärt Gabriele Krings. Sie ist mit Doris Becker und Ulrike Härtel Erziehungstellen-Beraterin. Die Unterbringung der oft durch ihre bisherigen Erfahrungen traumatisierten Kinder bedürfen einer intensiven Betreuung. Hier helfen die Erziehungsstellen-Beraterinnen "Alle zwei Wochen sind wir vor Ort, um den persönlichen Kontakt zu pflegen" und zu helfen, wenn in Erziehungsfragen Not am Mann ist. "Aber auch, um die leiblichen Eltern mit ins Boot zu holen", wie Ulrike Härtel die "wertschätzende Kontaktpflege" nennt. Um Entwicklung und Wohlergehen der Zöglinge festzustellen, werden außerdem in Kooperation mit dem Jugendamt sogenannte Hilfeplangespräche geführt und pädagogische Themen in einer externen Supervision erarbeitet.

"Außerdem sind die Erziehungsstellen untereinander toll vernetzt", wie Veronika Koll aus Erfahrung weiß. Sie ist Neu-Mama zweier Töchter, inzwischen 15 und 16 Jahre alt. "Ich möchte sie in ihrer Entwicklung unterstützen und ihnen gute Perspektiven bieten", sagt sie über ihre "Passion". Zwar sei mitunter die tägliche Auseinandersetzung, bedingt durch die frühkindliche Vergangenheit ihrer Töchter, "psychisch belastend", aber das hält sie für ihre Töchter aus. "Ich will ihnen die Chance bieten auf ein anderes Leben als das, das ihre Eltern führten". Dazu gehört, eine selbstbewusste Persönlichkeit zu entwickeln, "und was Familie ist, das lebe ich ihnen vor". Als "erfüllend" beschreibt sie ihre Aufgabe.

Familien, die seit Generationen beim Jugendamt bekannt sind, gab es schon immer, wissen die Erziehungs-Beraterinnen. In den vergangenen 25 Jahren ist aber die Tendenz steigend, Kinder aus ihrem leiblichen Umfeld zu nehmen. "Es gibt zu wenig Erziehungsstellen", sagt Gabi Krings. "Wir müssen oft lange nach einem geeigneten Platz suchen." Erziehungsstellen sind nicht als temporäres Angebot konzipiert, sondern sollen im optimalen Fall eine lebenslängliche Bindung sein. Zurzeit sind es 17 Kinder, die in elf "Erziehungsstellen", also neuen Familien leben. Weitere davon werden händeringend gesucht.

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