Grevenbroich Ende fürs Brikett kam vor 50 Jahren

Grevenbroich · Seit 1909 wurden in Grevenbroich-Neurath Briketts produziert. Doch die Fabriken mussten 1968 dicht machen.

Ein Aufnahme mit Seltenheitswert. Das Foto entstand 1918 und zeigt die Brikettfabrik Prinzessin Viktoria an der heutigen Kaulener Straße in Neurath.

Ein Aufnahme mit Seltenheitswert. Das Foto entstand 1918 und zeigt die Brikettfabrik Prinzessin Viktoria an der heutigen Kaulener Straße in Neurath.

Foto: Sammlung Jürgen Larisch

Im Jahr der 68er-Bewegung kam im Norden des Rheinischen Reviers die Brikettproduktion zum Stillstand: Die Fabriken Neurath und Prinzessin Viktoria stellten ihren Betrieb ein. Auf dem Werksgelände der einen stehen heute - 50 Jahre später - das Kraftwerk Neurath und das Zentrallager von RWE Power. Wo einst Prinzessin Viktoria unter Dampf stand, arbeitet eine Fabrik für Holzpaletten.

Die Geschichte des Bergbaus im Dorf begann 1858. Als die Neurather einen Brunnen bauten, stießen sie zufällig auf Braunkohle. Die wurde von 1861 bis 1868 am Ortsrand unter Tage abgebaut; die kleine Grube musste wegen Absatzmangels aber schließen. Erst als im Raum Brühl/Frechen die Braunkohlenindustrie "boomte", entsann man sich wieder auf die Neurather Kohle. 1907 wurde auf dem Feld "Rheingold" nördlich des Dorfs mit dem Bau der Brikettfabrik Neurath begonnen. Die ersten Briketts konnten dort am 25. Mai 1909 gepresst werden.

Von 1911 bis 1912 errichtete die Gewerkschaft des Braunkohlenbergwerks Neurath ihren zweiten Veredelungsstandort: die Fabrik Prinzessin Viktoria, benannt nach der Schwester Kaiser Wilhelms des Zweiten. Die Kohle für beide Betriebe kam aus dem Tagebau Neurath. Er erstreckte sich dort, wo heute die große Tomaten-Gewächshausanlage und die ausgedehnte Ackerfläche bis hin zur Gürather Höhe liegen.

"Dieser Tagebau arbeitete von 1927 bis 1932 mit einer Abraumförderbrücke, die aber zu unflexibel und unwirtschaftlich war", sagt Guido Steffen, Sprecher von RWE Power. Ebenso experimentell blieben zwei Seilbahnen, die bald durch die damals branchenüblichen Kettenbahnen (Loren) ersetzt wurden. Lebensnerv der Fabriken war eine 5,5 Kilometer lange Werksbahn.

"Wirklich gewinnbringend arbeiteten der Tagebau und seine beiden Brikettfabriken nur selten", berichtet Steffen. Schuld daran waren die vergleichsweise ungünstigen Lagerstättenverhältnisse - sprich: zeitweise schlechte Kohle und ein ungünstiges Verhältnis von Abraum zu Rohstoff. "Hinzu kam der rigorose Kampf um die Absatzmärkte, der dazu führte, dass der Absatz in den ersten Jahren äußerst schlecht war", sagt der in Neurath aufgewachsene Regionalhistoriker Peter Zenker. 1932 reichte die Gewerkschaft Neurath sogar einen Antrag auf Stilllegung bei der Bergbehörde ein. Der kam aber nicht zum Tragen, weil der größte Anteilseigner kurz vor Toresschluss mit Geld einsprang.

In den 50er und 60er Jahren erreichte die Jahresproduktion mit zusammen 1,2 Millionen Tonnen Briketts ihren Höhepunkt. Doch bald setzte ein drastischer Strukturwandel ein, den nur die wirtschaftlichsten Betriebe in der Braunkohle überlebten: Heizöl verdrängte das Brikett aus dem Markt für Hauswärme; die Absatzzahlen brachen ein. 1968 machte die RWE-Tochter Rheinbraun - nach einer großen Fusion längst Eigentümer der Neurather Betriebe - die beiden Fabriken endgültig dicht. Doch bald waren an Stelle der Brikettfabrik Neurath die beiden ersten Blöcke des neuen RWE-Kraftwerks im Bau; vier Jahre später gingen sie ans Netz.

"Auch das frühere Areal der Fabrik Prinzessin Viktoria hat immer noch starken RWE-Bezug", sagt Guido Steffen Das Werk der Caspari GmbH & Co. KG erhält Prozesswärme vom Kraftwerk und trocknet damit unter anderem das Holz für ihre Paletten und Verpackungen.

(NGZ)
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