Der Bedarf ist sehr groß Eine Pause vom Alltag

Der Bedarf ist sehr groß · In Neukirchen startete jetzt das zweite Demenzcafé der Caritas, der "Jakobustreff". Vor einem Jahr hatte der Verband bereits in Grevenbroich das "Café Kränzchen" für Demenzkranke eröffnet. Die Angehörigen finden für einige Stunden Ruhe und Entlastung – ein Erfolgsmodell.

 Ein Teil des Teams, das die Demenzcafés des Caritasverbandes in Grevenbroich und nun auch in Neukirchen betreut: (v.l.) Petra Kluth, Daniela Rauschenberg, Ursula Mordelt, Beate Müller und Carola Uebber. Sie nehmen sich Zeit, um sich intensiv um die Demenzkranken zu kümmern.

Ein Teil des Teams, das die Demenzcafés des Caritasverbandes in Grevenbroich und nun auch in Neukirchen betreut: (v.l.) Petra Kluth, Daniela Rauschenberg, Ursula Mordelt, Beate Müller und Carola Uebber. Sie nehmen sich Zeit, um sich intensiv um die Demenzkranken zu kümmern.

Foto: M. Reuter

In Neukirchen startete jetzt das zweite Demenzcafé der Caritas, der "Jakobustreff". Vor einem Jahr hatte der Verband bereits in Grevenbroich das "Café Kränzchen" für Demenzkranke eröffnet. Die Angehörigen finden für einige Stunden Ruhe und Entlastung — ein Erfolgsmodell.

"Das Thema wird oft tot geschwiegen. Dabei ist Demenz eine psychische Erkrankung wie andere auch", sagt Petra Kluth. Die Ehrenamtlerin beim Caritasverband ist eine von sechs Betreuerinnen der Caritas beim neuen "Jakobustreff" im Pfarrheim in Neukirchen. Erstmals trafen sich dort Demenzkranke, altersverwirrte Menschen, um unter Betreuung zu singen, zu spielen, Kaffee zu trinken.

Nein, die Krankheit Demenz wird beim Caritasverband nicht tot geschwiegen, ganz im Gegenteil. Vor drei Jahren startete zunächst das Projekt "Atempause". 16 Ehrenamtler betreuen 21 Demenzkranke jede Woche für einige Stunden zu Hause in der Familie. "Die Angehörigen, die durch die Pflege oft sehr belastet sind, erhalten so etwas Zeit für sich — zum Einkaufen, für einen Arzttermin oder auch, sich einfach mal hinzusetzen und eine Tasse Kaffee zu trinken", sagt Beate Müller vom Fachbereich Senioren der Caritas.

Doch sie hat festgestellt: "Viele Angehörigen scheuen vor dem Besuch in der Familie, in ihrer Intimsphäre, zurück." Auch deshalb startete die Caritas 2008 im Seniorenzentrum St. Barbara in Grevenbroich das "Café Kränzchen". Wöchentlich treffen sich dort neun Kranke — die Zahl wird bewusst klein gehalten.

Der Bedarf ist weitaus größer — in Deutschland sollen rund zwei Millionen Menschen an Demenz leiden. "Wir erhielten vom Pfarrverband Niedererft Anfragen, ob wir ein solches Café auch für die nördlichen Stadtteile anbieten können", berichtet Beate Müller. Im Pfarrheim am Jakobusplatz fanden sich geeignete Räume, sechs Ehrenamtler wurden für die Aufgabe in 35-stündigen Kursen geschult. Fürs erste der dreistündigen Treffen — zunächst alle zwei Wochen mittwochs — wurden fünf Besucher angemeldet. "Diese Zeit bedeutet für die Angehörigen eine wirkliche Entlastung", so Müller. Doch natürlich profitieren auch die Demenzkranken. "Wir beobachten, dass sich die Besucher untereinander unterhalten, auch wenn für uns das Gespräch vielleicht keinen Sinn ergibt", berichtet Müller. "Sie treffen andere Betroffene, erfahren ,Ich bin wer'", sagt Ursula Mordelt, eine der Betreuerinnen.

Das Programm bei den Treffen soll möglichst nach demselben Rhythmus ablaufen: "Nach der Begrüßung machen wir Bewegungsspiele — etwa mit Tüchern oder Luftballons. Dabei erfahren die Menschen, dass sie noch etwas können. Außerdem trinken wir Kaffee, gehen spazieren und singen", erläutert Beate Müller.

"Ein hervorragendes Angebot", sagt Magda Schmitz (Name von der Redaktion geändert.) Die 80-Jährige weiß, was die Pflege eines altersverwirrten Menschen bedeutet — ihr Mann litt bis zu seinem Tod vor zwei Jahren lange an Demenz, benötigte Betreuung rund um die Uhr. Die beiden waren über 50 Jahre lang verheiratet. "Wenn ich etwa einkaufen ging, blickte ich ständig auf die Uhr, um meinen Mann nicht lange allein zu lassen", schildert Magda Schmitz. "Manchmal war er mir gegenüber mürrisch und sogar aggressiv. Ich dachte oft: ,Das kann doch nicht sein, dass sich ein Mensch in seinem Wesen so verändert'. Aber es lag an der Krankheit", sagt Magda Schmitz.

Kraft und Unterstützung fand sie durch die Caritas. "Nach dem ersten Beratungstermin dachte ich: Jetzt habe ich endlich einen Lichtblick." Das Demenzcafé gab es damals noch nicht, wohl aber die "Atempause"-Betreuung zu Hause. "Mein Mann wartete am Fenster, auf den Besuch. Und der verschaffte mir tatsächlich eine Atempause, ich konnte zum Friseur und Einkaufen und wusste meinen Mann gut aufgehoben. Oder ich konnte einfach mal die Seele baumeln lassen", sagt Magda Schmitz dankbar.

Porträt Daniela Rauschenberg

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort