Einsätze in Grevenbroich So arbeitet die Spezialeinheit der Polizei bei schweren Unfällen

Grevenbroich · Sie werden immer dann gerufen, wenn es zu schweren Crashs gekommen ist: die Spezialisten der Zentralen Verkehrsunfall-Aufnahme (ZVU). Stationiert ist das kreisweit agierende Team in der Grevenbroicher Polizeiwache.

 Die ZVU-Mitarbeiter Stefan Twelker (l.) und Udo Strerath am Spezialfahrzeug. Zur Ausrüstung gehört auch ein 5,50 Meter langer Selfie-Stick.

Die ZVU-Mitarbeiter Stefan Twelker (l.) und Udo Strerath am Spezialfahrzeug. Zur Ausrüstung gehört auch ein 5,50 Meter langer Selfie-Stick.

Foto: Gundhild Tillmanns

Einen ihrer jüngsten Einsätze hatten sie am Krankenhaus. Nachdem ein 83 Jahre alter Autofahrer einen Unfall mit einer Toten und drei Schwerverletzten verursachte, kamen die Mitarbeiter einer „Spezialeinheit“ der Polizei zum Zuge: die Zentrale Verkehrsunfall-Aufnahme. Dieser kreisweit tätigen Gruppe kommt die Aufgabe der Spurensicherung nach schweren Verkehrsunfällen zu. Dafür ist das ZVU-Team mit modernster Technik auf dem Einsatzwagen ausgestattet, der an der Grevenbroicher Polizeiwache stationiert ist.

Seit 2011 haben Udo Strerath und wechselnde Kollegen bei 620 von 1900 schweren und schwersten Verkehrsunfällen kreisweit die Spuren gerichtsfest gesichert, den Unfallhergang für Betroffene wie Geschädigte und Versicherungen „lückenlos aufgeklärt“, wie Strerath betont. Deshalb würden die Auswertungsberichte der ZVU auch von Gerichten und Anwälten stets anerkannt, hat er festgestellt.

 ZVU-Mitarbeiter Stefan Twelker analysiert am Mikroskop Lackreste nach einem Verkehrsunfall. So kann er auch nachweisen, ob eine Kollision mit einem anderen Fahrzeug stattgefunden hat.

ZVU-Mitarbeiter Stefan Twelker analysiert am Mikroskop Lackreste nach einem Verkehrsunfall. So kann er auch nachweisen, ob eine Kollision mit einem anderen Fahrzeug stattgefunden hat.

Foto: Gundhild Tillmanns

Zu der besonderen Technik an Bord des ZVU-Fahrzeuges gehört auch „Deutschlands längster Selfie-Stick“, ein auf 5,50 Meter ausfahrbarer Fotomast. Wenn auch der nicht ausreicht, dann fordert das ZVU die Feuerwehr mit ihrer Drehleiter oder der Drohne für Luftbilder vom Unfallort an, wie es jüngst zum Beispiel in Jüchen-Neuenhoven notwendig war.

Für die Dunkelheit verfügt das Team unter anderem über einen Halogen-Lampen-Tower. Und um Unfallorte großflächig abmessen zu können, wenn etwa ein Pkw in einen Acker von der Fahrbahn abdriftet, dann wird der Tachymeter mit Digitalkamera auf einer Distanz bis zu einem Kilometer eingesetzt. Und sogar ohne Bremsspuren können die Ermittler des ZVU-Teams anhand von Schlagmarken im Asphalt nach einem Unfall sogar erkennen, wer in welcher Richtung womöglich von der Fahrbahn abgekommen ist.

 Polizeioberrat Wolf Wewers, Leiter Direktion Verkehr im Rhein-Kreis.

Polizeioberrat Wolf Wewers, Leiter Direktion Verkehr im Rhein-Kreis.

Foto: Gundhild Tillmanns

Sogar das Mikroskop gehört zur Ausrüstung dieses Spezialteams der Polizei. Da macht Stefan Twelker niemand etwas vor. Denn er kann unter dem Mikroskop an den Lackspuren genau erkennen, ob ein Auto etwa „nur“ eine Mauer, eine Laterne oder ein anderes Fahrzeug touchiert hat: bei Unfallflucht eine entscheidende Erkenntnis. Deshalb entlarvten die Ermittlungsergebnisse der ZVU auch fingierte Unfälle und den Versicherungsbetrug, betont Wolf Wewers, Leiter der Direktion Verkehr bei der Kreispolizei, der dieser Tage nach dem schweren, durch einen Senior verursachten Unfall in Grevenbroich zum Thema „Fahrtauglichkeit im Alter“ ein gefragter Ansprechpartner war.

Allerdings sieht Wewers, auch nach Rücksprache mit dem zuständigen Ministerium, die Frage der Fahrtauglichkeit und die Beurteilung von Fahrfehlern eher unabhängig vom Alter. Deshalb spreche sich die Kreispolizei auch nicht pauschal für eine regelmäßige Führerscheinüberprüfung für Senioren aus. Denn Senioren verhielten sich im Straßenverkehr oft regelkonformer als junge Fahrer, sie hätten auch mehr Fahrerfahrung, zeigten zudem eine Vermeidungshaltung, etwa nur gewohnte Strecken und nichts nachts zu fahren.

Allerdings ließen Koordinations-, Seh-, Hör- und Reaktionsvermögen mit zunehmendem Alter nach: „Man sollte selbstkritisch sein“, rät Wewers zu ärztlichen Tests. Der Tunnelblick verenge sich im Alter zunehmend, das Rückwärts über die Schultern schauen falle immer schwerer. Und, so problematisch es zwar sei, aber Angehörige sollten auf Senioren einwirken, nicht mehr Auto zu fahren, wenn diese nicht nur sich selbst, sondern vor allem auch andere gefährden, betont Wewers, der übrigens für die nächsten Jahre eine Steigerung der von Senioren verursachten Verkehrsunfälle prognostiziert: „Die Babyboomer aus den 50er- und 60er Jahren kommen als jetzt als Senioren am Steuer auf uns zu.“

Bislang stellten die Senioren im Rhein-Kreis in der Unfallstatistik allerdings eine noch eher unauffällige Größe dar: An 693 Unfällen im vergangenen Jahr in Grevenbroich mit zwei Toten, 54 Schwerverletzten und 220 Leichtverletzten waren 121 Verursacher beteiligt, die älter als 65 Jahre waren. Ein Toter, sieben Schwerverletzte und 17 Leichtverletzte gingen auf das Konto der über 65-jährigen Autofahrer. Aber: Unter den 25 Verletzten waren 16 Radfahrer. Der Leiter der Verkehrsdirektion appelliert: „Ältere Menschen sollen nicht auf einer Teilnahme am öffentlichen Leben verzichten. Aber sie sollten sich bewusst machen, dass ihre Fahrtauglichkeit mit zunehmendem Alter an ihre Grenzen stößt.“ Zur Veranschaulichung rät er zu einem einfachen Reaktionstest: ein Lineal fallen lassen und auffangen: „Dann wird man feststellen, dass der Enkel das Lineal viel weiter unten, also viel schneller auffängt, als der Senior.“

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