Grevenbroich Die Liebe ihres Lebens ist gleichzeitig ihr Chef

Grevenbroich · Mit 13 hat Doris Först bei Metallbau Hermann und Josef Först angefangen. 60 Jahre später sitzt sie dort immer noch am Schreibtisch.

 Doris Först hat immer ein Auge auf die kleine Wiese vor ihrem Büro, wo alte Maschinen ausgestellt sind. Und beobachtet sie, dass jemand über die Wiese läuft - "dann springe ich gleich vom Schreibtisch auf".

Doris Först hat immer ein Auge auf die kleine Wiese vor ihrem Büro, wo alte Maschinen ausgestellt sind. Und beobachtet sie, dass jemand über die Wiese läuft - "dann springe ich gleich vom Schreibtisch auf".

Foto: andreas bretz

Auf einem kleinen Stück Wiese in einem Düsseldorfer Hinterhof stehen alte Maschinen, Pressen und Bohrer mit Zahnrädern, die so groß sind wie ein Mensch. Die Maschinen sind Hermann Josef Försts ganzer Stolz ebenso wie für seine Frau Doris Först, "wenn ich jemanden sehe, der über die Wiese läuft, dann springe ich gleich vom Schreibtisch auf", sagt die 73-Jährige. Von eben jenem Schreibtisch, an dem Doris Först seit 60 Jahren sitzt, mit 13 hat sie im Betrieb ihre Ausbildung begonnen, am 1. April 1958, damals noch als Doris Sassen.

Industriekauffrau wollte sie lernen, lebte damals noch in Baumberg, pendelte jeden Tag dorthin. Dass der Sohn des Chefs eines Tages seine Lehre nach der Ingenieurschule im Familienbetrieb begann, ist der jungen Doris nicht entgangen. "Er war in der Werkstatt, ich im Büro", sagt Först, Blicke trafen sich, auch mal ein Lächeln, irgendwann fragte er sie nach einem Date.

Schwierig war es am Anfang - sie lebte noch immer in Baumberg, Hermann Josef in Grevenbroich. 1970 heirateten die beiden, bekamen acht Jahre später Tochter Silke. Oma und Opa kümmerten sich um Silke, "ich bin arbeiten gegangen". Jeden Tag hat sie pünktlich um acht an ihrem Schreibtisch gesessen, sogar als sie keinen Kita-Platz in Kapellen bekam und nach Neuss ausweichen musste. "Wir sind um 7.30 Uhr los", sagt Doris Först, die auch nicht gefehlt hat, als ihre Schwiegermutter 1996 starb, die nicht fehlte, als sie den Schwiegervater pflegte. "Man muss immer da sein, auch Freizeit opfern", sagt Doris Först, "obwohl der Betrieb nicht meiner war." Aber der ihres Mannes - Doris Först hat nicht nur einen Mann geheiratet, sondern ein Familienunternehmen.

Sie hielt ihrem Mann den Rücken frei, kümmerte sich nicht nur um die Rechnungen im Betrieb und die Aufträge, sondern verwaltet auch die Immobilien. "Ich habe einen Anspruch an mich, den ich erfüllen will", sagt sie. Und der ist mit 73 nicht weniger geworden. Vor sich herschieben kann Doris Först nichts, "dadurch bleibe ich beweglich, auch im Kopf ", sagt sie. Jeden Tag ist sie auch nach 60 Jahren noch im Büro, und keiner ist eine Qual gewesen. Sie fährt allein von Kapellen nach Düsseldorf, sie will flexibel sein, auf dem Heimweg mal beim Supermarkt vorbei die Einkäufe erledigen. Wäsche und Haushalt macht sie selbst, "eine Putzfrau habe ich nie gehabt". Jetzt, da ihr Mann älter ist - er wird 75 - kommt er mal eine Stunde früher von der Arbeit, "dann trinken wir Kaffee, schauen raus in den Garten", sagt Doris Först. Aber nur, wenn der Garten vernünftig ausschaut, "sonst kann ich nicht ruhig sitzen bleiben".

Zeit für Urlaub hat sich das Paar nicht oft genommen. "Unsere Hochzeitsreise ging nach Teneriffa", weiter sind sie nicht gekommen. Vor zwei Jahren hat Tochter Silke ihnen einen Städtetrip nach Heidelberg geschenkt, "den haben wir drei Mal abgesagt", erzählt die 73-Jährige. Weil ihre Mitarbeiter vorgehen, weil die Kollegen wie eine Familie sind. Manchmal denkt Doris Först übers Aufhören nach, "aber es ist schwer loszulassen". Obwohl Tochter und Schwiegersohn im Unternehmen sind. Wenn sie zu ihrem Mann sagt, "wir sind alt", dann sagt er, "sind wir nicht". Es liegt wohl auch daran, dass Doris Först nicht nur die Liebe des Lebens in Bilk gefunden hat, sondern auch ihr Lebensprojekt, an dem ihr Herz hängt.

(NGZ)
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