Wir decken auf Die fünf größten Irrtümer Grevenbroichs

Der Name der Schlossstadt wird vornehm mit der Betonung auf dem "i" ausgesprochen: Es heißt "Greven-bro-ich" statt "Grembrooch". Oder? Rund um die 65 000-Einwohner-Kommune an der Erft ranken sich gleich mehrere Irrtümer. Die NGZ stellt die fünf beliebtesten vor.

 Geboren in Grevenbroich? Horst Schlämmer vom Tagblatt.

Geboren in Grevenbroich? Horst Schlämmer vom Tagblatt.

Foto: Franka Bruns

Rheinländer mit Slang, die den Namen Grevenbroich besonders vornehm aussprechen wollen, legen ihre Betonung auf das "o" und das "i". Sie sagen "Greven-bro-ich". Das klingt mächtig Hochdeutsch — und ist im Grunde genommen der größte Irrtum, der sich um die Schlossstadt an der Erft rankt. Denn Grevenbroich wird richtig schön "platt" ausgesprochen: "Grembrooch" — mit möglichst zwei, besser noch drei "o's" am Schluss.

 Die Stadt feierte 2011 ihr Jubiläum: Doch ist sie wirklich 700 Jahre alt?

Die Stadt feierte 2011 ihr Jubiläum: Doch ist sie wirklich 700 Jahre alt?

Foto: Reuter, Michael

Das Geheimnis der Aussprache ist das "Rheinische Dehnungs-i". Eine etymologische Besonderheit, der sich Sprachwissenschaftler gleich bändeweise widmen. Professor Jürgen Macha zum Beispiel, der das Buch "Rheinisch-Westfälische Sprachgeschichte" geschrieben hat: "Grevenbroich spricht man mit langem ,o' aus. Das dahinter stehende ,i' deutet nur an, dass der vor ihm stehende Vokal lang ausgesprochen wird", weiß der Professor für Sprachwissenschaft an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. In der deutschen Rechtschreibung existiert das Dehnungs-i lediglich noch in Eigennamen. Grevenbroich steht aber nicht alleine da, das Schicksal der Stadt teilen auch andere Kommunen im Rheinland — etwa Korschenbroich, Troisdorf oder das bei Viersen gelegene Boisheim.

 Das Dehnungs-i im Museum. Heißt es eigentlich "Greven-bro-ich"?

Das Dehnungs-i im Museum. Heißt es eigentlich "Greven-bro-ich"?

Foto: Michael, Reuter

Geradezu kultiviert wurde der Verzicht auf das Dehnungs-i von einem gewissen Horst Schlämmer, der — die Einheimischen wissen es natürlich — einen weiteren Irrtum rund um die Stadt markiert. Denn der Schmuddel-Reporter existiert ebenso wenig wie das "Grevenbroicher Tagblatt", dem er als stellvertretender Chefredakteur vorstehen soll. Das hält viele Fans jedoch nicht davon ab, die Stadt an der Erft zu besuchen und sich auf Spurensuche zu begeben — selbst heute noch, obwohl Komiker Hape Kerkeling längst den speckigen Schlämmer-Mantel ausgezogen hat und von der Stadt Grevenbroich nichts mehr wissen will.

 Die Vollrather Höhe ist 187 Meter hoch. Ist sie wirklich ein Berg?

Die Vollrather Höhe ist 187 Meter hoch. Ist sie wirklich ein Berg?

Foto: Michael, Reuter

Das Dehnungs-i spielt auch eine zentrale Rolle im neuen Museum der niederrheinischen Seele. Wer die Villa Erckens besucht, läuft im ersten Stock schnurstracks auf die beiden geheimnisvollen Buchstaben zu. Das Museum war vor der Neueröffnung im Frühjahr der Völkerkunde gewidmet — und um diese, längst aufgelöste Dauerausstellung rankt sich ebenfalls bis heute ein weiterer Irrtum: Nämlich der, dass die dort gezeigten Mumien allesamt Fälschungen waren. Weit gefehlt!

Denn die sterblichen Überreste einer Inka-Frau (großes Foto), die als Dauerleihgabe der Bonner Universität überlassen wurde, gilt als Rarität. Die Wissenschaftler aus der ehemaligen Bundeshauptstadt verleihen die Mumie immer wieder für bedeutende Ausstellungen — zuletzt war sie in Kassel und Mannheim zu sehen, aber auch in Bozen — gemeinsam mit Eis-Mann "Ötzi". Auf diesen "Tourneen" versuchen Wissenschaftler, auch die letzten Rätsel der geheimnisvollen Toten zu lösen. Es wird davon ausgegangen, dass die Frau zwischen 1000 und 1532 im südlichen Peru gelebt hat und etwa 20 bis 40 Jahre alt wurde. Wie sie starb, ist unbekannt.

Bekannt ist allerdings, dass sich die verblichene Inka-Frau in Grevenbroich jahrelang in schlechter Gesellschaft befand: Bei Scans im Computer-Tomographen stellen die Bonner Wissenschaftler fest, dass die ebenfalls in der Villa ausgestellte ägyptische Mumie eher unter die Kategorie "Schlechter Scherz" fiel: Sie bestand nur aus einem männlichen Schädel und einem rechten Fuß. Beides war an einem Metallgerüst befestigt und wurde mit antiken Lederfetzen zusammengehalten. "Wir haben jahrelang einen Kleiderständer ausgestellt", entfuhr es seinerzeit dem Kulturdezernenten Michael Heesch.

Von der Antike zur Stadthistorie: Die Behauptung, dass Grevenbroich 700 Jahre alt ist, gehört ebenso zu den beliebten Irrtümern. Zwar feierten die Schlossstädter im vergangenen Jahr tüchtig den runden Geburtstag — sie wurden dabei aber äußerst skeptisch vom Dortmunder Geschichtsprofessor Hans Georg Kirchhoff beäugt. Der sah nämlich keinen Grund zum Jubilieren. Fakt ist, dass Grevenbroich erstmals schriftlich auf einer Urkunde von 1311 erwähnt wurde — doch: "Dieses Datum ist völlig belanglos. Es gab die Stadt schon in den 80er oder 90er Jahren des zwölften Jahrhunderts", sagt der Experte. Die Grevenbroicher kümmerte es nicht, sie fanden eine rheinische Lösung: Gefeiert wurde unter dem Motto "700 Jahre plus".

Besucher, die von auswärts in die Stadt kommen, wähnen sich oftmals im Vorgebirge. Grund: die Vollrather Höhe, die von weitem schon sichtbar ist. Wer dieses 187 Meter hohe Gebilde jedoch als Berg bezeichnet, unterliegt einem beliebten Irrtum: Die Halde ist künstlich erstanden, sie wurde in den Jahren 1955 bis 1968 mit Abraum aus dem damaligen Braunkohletagebau Frimmersdorf-West aufgeschüttet. Ganz auf Berge verzichten muss die Stadt jedoch nicht: Der Welchenberg, der im Schatten der Vollrather Höhe liegt, ist mit 99 Metern die höchste natürliche Erhebung vor der Eifel. Der Sage nach hat er daher auch seinen Namen. Die Kelten sollen nämlich bei seinem Anblick erstaunt ausgerufen haben: "Welch ein Berg!" Vermutlich ein weiterer Irrtum. . .

(RP)
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