Grevenbroich Bunte Nachbarschaft im Bahnhofsviertel

Grevenbroich · Derzeit diskutiert Deutschland über multikulturelles Miteinander. Ein Treffen mit Anwohnern und Geschäftsleuten der Initiative Stellwerk im Bahnhofsviertel zeigt, dass das auch in Grevenbroich längst unproblematische Normalität ist.

 Im Bahnhofsviertel leben viele Nationalitäten. Sie fühlen sich hier wohl und haben sich gerne als Nachbarn: Ibrahim Gügen, Fred Leven, Norman Keutgen, Hussan Abau Aicha, Elisabeth Neifer, Anatol Lauschke und Martina Suermann (v.l.).

Im Bahnhofsviertel leben viele Nationalitäten. Sie fühlen sich hier wohl und haben sich gerne als Nachbarn: Ibrahim Gügen, Fred Leven, Norman Keutgen, Hussan Abau Aicha, Elisabeth Neifer, Anatol Lauschke und Martina Suermann (v.l.).

Foto: Lothar Berns

Viel Empörung gab es in den vergangenen Tagen über die Äußerungen von Alexander Gauland. Der AfD-Politiker hatte über den Nationalspieler Jerome Boateng gesagt: "Die Leute finden ihn als Fußballspieler gut. Aber sie wollen einen Boateng nicht als Nachbar haben."

Auch in Grevenbroich gibt es längst Nachbarschaften, in denen Menschen unterschiedlich aussehen, woanders geboren sind oder einen Migrationshintergrund haben. Bestes Beispiel ist das Bahnhofsviertel. Wie steht es dort um Nachbarschaften? Ein Besuch an die Bahnstraße soll Auskunft geben. Treffpunkt ist das Ladenlokal der Initiative Stellwerk. Gekommen sind zwei junge Unternehmer, ein Flüchtling, ein Migrant, ein Grevenbroicher und eine Ex-Düsseldorferin. Eine Mischung, so bunt wie das Viertel. Sie alle sind sich einig: Es gibt Probleme im Bahnhofsviertel. Aber es ist vor allem eine sehr herzliche Nachbarschaft.

Anfang der 1990er Jahre wurde der Stadtteil vom Verkehr entlastet. Die Folge: Viele Einzelhändler wanderten ab. Heute prägen Wettbüros und Dönerläden das Viertel. Außerdem leben hier viele Migranten.

Etwa Ibrahim Gügen. Der 41-Jährige wohnt hier mit seiner Familie und hat seine Unternehmensberatung an der Bahnstraße. Gügen fühlt sich hier wohl. "Wir leben gut zusammen", sagt er. In seiner Heimat gebe es ein Sprichwort: "Kaufe nicht nur ein Haus, kaufe einen Nachbarn." Genau das habe er beherzigt. "Hier wohnen so viele unterschiedliche Menschen. Aber es passt einfach zusammen", sagt er. Gerade weil so viele Nationalitäten hier leben. "Wir Türken wollen auch nicht nur unter uns bleiben", sagt er.

Doch die schlechte Meinung, die viele Grevenbroicher vom Bahhofsviertel haben, kennen Norman Keutgen (21) und Anatol Lauschke (28) sehr gut. Die beiden jungen Unternehmer haben vor wenigen Tagen ihr Geschäft im Viertel aufgemacht. "Wir wurden schon gefragt, warum wir denn hier hingehen", sagt Keutgen. So richtig verstehen könne er das aber nicht. "Viele Nachbarn sind schon vorbeigekommen und haben uns Glück gewünscht", sagt der 21-Jährige. "Gerade Multi-Kulti fördert doch die Kreativität", sagt Lauschke. Er denke etwa an den Berliner Stadtteil Kreuzberg. Der ehemalige Problemstadtteil sei heute Szeneviertel. Eine positive Entwicklung schwebt den beiden auch im Bahnhofsviertel vor.

"Solche jungen Leute wollen wir gerne unter uns haben", sagt Fred Leven. Der 45-Jährige lebt, arbeitet und engagiert sich im Stadtteil. Er ist Vorsitzender der Initiative Stellwerk. Eine seiner Mitstreiterinnen ist Martina Suermann. Die 54-Jährige ist vor 20 Jahren bewusst hierher gezogen. "Mir hat das bunte Umfeld gefallen", sagt sie. Nun kümmert sie sich um Nachbarn.

Zum Beispiel um Hussan Abou Aicha (40). Der syrische Flüchtling lebt seit einem Jahr mit seinen beiden Söhnen und seiner Frau in Grevenbroich. Die Kinder sprechen immer öfter deutsch, selbst wenn sie eigentlich arabisch sprechen wollen, erzählt er stolz. Durch Kindergarten und Nachbarskinder ist das in Fleisch und Blut über gegangen.

(NGZ)
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