Blindgänger in Grevenbroich Weltkriegs-Bombe auf dem Kirmesplatz entschärft

Update | Orken · Am Dienstag ist in Orken ein Blindgänger aus dem Zweiten Weltkrieg entschärft worden. Die Sache war kompliziert: Einer der beiden Zünder war festgerostet. 800 Menschen hatten ihre Häuser verlassen müssen. Es kam zu langen Staus.

 Die Beteiligten nach der geglückten Entschärfung: Sie hatten die Bombe gefunden, freigelegt – und schließlich entschärft.

Die Beteiligten nach der geglückten Entschärfung: Sie hatten die Bombe gefunden, freigelegt – und schließlich entschärft.

Foto: Kandzorra, Christian

Am Dienstagnachmittag ist der Verkehrsfluss in weiten Teilen der Stadt zusammengebrochen: Vielerorts kam es zu langen Staus, insbesondere auf den Straßen, die Fahrer als Alternativ-Routen wählten, um nach Orken zu gelangen. Der Stadtteil war allerdings kaum zu erreichen – aus gutem Grund: Denn am Dienstagmittag war bei Sondierungsarbeiten auf dem Kirmesplatz eine Fliegerbombe aus dem Zweiten Weltkrieg entdeckt worden.

Während sich Hunderte Autos durch den Stadtverkehr quälten, war es an der Richard-Wagner-Straße beinahe totenstill: Umgeben von Nebel warteten Spezialisten des Kampfmittel-Beseitigungsdienstes der Bezirksregierung Düsseldorf darauf, loslegen zu können. Ihr Auftrag: eine 250 Kilogramm schwere Bombe unschädlich machen.

 Die Bombe lag mindestens 76 Jahre lang in sechs Metern Tiefe.

Die Bombe lag mindestens 76 Jahre lang in sechs Metern Tiefe.

Foto: Kandzorra, Christian

Gegen 18 Uhr meldeten die Experten, dass der Blindgänger entschärft ist. Das war allerdings kein leichtes Unterfangen: Denn der Sprengkörper aus amerikanischer Produktion war mit zwei Zündern ausgestattet. Der Zünder am Heck hat es Tim Hoferichter nicht leicht gemacht: Der Truppführer des Kampfmittel-Beseitigungsdienstes musste die Vorrichtung per Hand mit einem Spezialwerkzeug herausdrehen. Kein Job für Menschen mit schwachen Nerven. Und auch für Hoferichter nichts, was er als Routine bezeichnen würde. „Der Heckzünder war durch Korrosion stark angegriffen“, sagte der 36-Jährige nach der geglückten Aktion: „Aber die Entschärfung war gut vorbereitet, hier haben alle sehr gute Arbeit geleistet.“

45 Minuten hat es gedauert, das rostige Kriegsrelikt so in seine Einzelteile zu zerlegen, dass keine Gefahr mehr davon ausgeht. Dass Tim Hoferichter und sein Kollege Michael Hoff erst um kurz nach 17 Uhr loslegen konnten, war aus Sicht vieler sicher ärgerlich – bei den Fachleuten löste das aber keine Verwunderung aus. „Evakuierungen brauchen immer Zeit, gerade in Zeiten von Corona. Viele Menschen müssen einzeln herausgebracht werden.“

 Der Fundort wurde weiträumig abgesperrt. Die Polizei musste etliche Fahrer zurückweisen.

Der Fundort wurde weiträumig abgesperrt. Die Polizei musste etliche Fahrer zurückweisen.

Foto: Kandzorra, Christian

Die Evakuierung vor der Entschärfung hatte sich gezogen – zwei Stunden länger als ursprünglich geplant. Eigentlich sollte es schon um 15 Uhr losgehen. Da fuhren im Gefahrenbereich 250 Meter um den Fundort aber noch immer Autos durch Orken. Vom Bahnverkehr an den nahen Gleisen ganz zu schweigen. Eine Herausforderung: Helfer des Deutschen Roten Kreuzes und des Malteser Hilfsdienstes mussten einige der 800 direkt betroffenen Anwohner aus ihren Häusern holen, die körperlich nicht dazu in der Lage waren, diese eigenständig zu verlassen. Sie wurden zur Alten Feuerwache in die Innenstadt gefahren.

Eine Anwohnerin, die aus dem Gefahrenbereich geholt wurde, ist die 68-jährige Heidi Witt, die an der Hans-Sachs-Straße wohnt – 20 Jahre lang sozusagen schräg gegenüber der Bombe. „Das muss man sich mal vorstellen: Da wurde Kirmes gefeiert, da waren die schweren Raupen unterwegs, als die Straße neu gemacht wurde. Das ist ein Wunder, dass die Bombe da nie explodiert ist.“ Auch Witt wurde vom Ordnungsamt aus ihrem Haus geklingelt. „Ich wurde dann schnell vom Roten Kreuz abgeholt. Das waren sehr nette Jungs“, sagte die Orkenerin, die auf einen Rollator angewiesen ist. Die Dame wurde schließlich von ihrer Tochter abgeholt, die ebenfalls in Orken wohnt. Gemeinsam kämpften sie sich durch das Verkehrschaos.

Verlassen mussten den Gefahrenbereich alle – auch diejenigen, die sonst auf strikte Anweisung zu Hause bleiben müssen: In einer Turnhalle an der Schlossstraße wurden Bürger untergebracht, die wegen einer Covid-19-Erkrankung unter Quarantäne stehen. Laut Rathaus-Sprecher Lukas Maaßen habe dies „eine Handvoll“ Menschen betroffen. Wie Ordnungsdezernent Claus Ropertz am Nachmittag erklärte, habe auch das Abholen von Kindern aus der Offenen Ganztagsschule im Gefahrenbereich Zeit gekostet. Aber: „Im Großen und Ganzen ist die Evakuierung ruhig gelaufen“, sagte er. Wenn – wie bei solchen Evakuierungen üblich – auch einige Bewohner eine Extra-Aufforderung gebraucht hätten, ihre Häuser zu verlassen, sei es nicht zu großem Widerstand gekommen. Trotzdem ärgerlich: Eine halbe Stunde nach dem ursprünglich angesetzten Entschärfungstermin tauchten noch immer Menschen an Fenstern auf, die von Ordnungsamt oder Polizei herausgeholt werden mussten.

Die Evakuierung galt jedoch als gut vorbereitet. Der reguläre Unterricht an der nahen Wilhelm-von-Humboldt-Gesamtschule war bereits Tage zuvor abgesagt worden. So blieb noch das Problem „Bahnhof“: Durch immer neu einfahrende Züge gelangten Fahrgäste bis wenige Minuten vor der Entschärfung an den Rand des 250-Meter-Bereichs. In Absprache mit den Notfall-Managern der Bahn wurden die Züge schließlich gestoppt. Auch Bahnreisende mussten Verzögerungen in Kauf nehmen.

Bei allen Strapazen bleibt die gute Gewissheit: Grevenbroich ist um eine Gefahr ärmer. Die Bombe in Orken wird jedoch nicht die letzte gewesen sein, die die Spezialisten im Stadtgebiet entschärfen.

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