Neusser Woche Schützenwesen In Deutschland Bei Unges Pengste wurde die Kulturerbe-Idee geboren

Grevenbroich · Es ist offiziell. Die Schützen erhalten den weltpolitischen Ritterschlag der Unesco: Kulturerbe - der Titel ist heute Anerkennung, doch auch Verpflichtung für morgen.

Schützenfeste sind keine Altherren-Veranstaltungen. Die Schützenlust, das größte Korps im Neusser Regiment, zieht mit mehr als 1600 Mann auf. Durchschnittsalter: 34 Jahre. "Wir sind ein alter Verein", sagt der scheidende Oberst Heiner Sandmann, "mit unglaublich jungen Mitgliedern." Wie in Neuss, der rheinischen Schützenhauptstadt, ist es vielerorts. Die Schützen pflegen keine in Ritualen erstarrte Tradition, sondern leben ihre überlieferten Werte in einer zukunftsfähigen Form.

Genau diese Kraft, gesellschaftliche Prozesse aufzunehmen und sie für sich weiter zu entwickeln, erkannte jetzt die Deutsche Unesco-Kommission an, indem sie entschied, dass das "Schützenwesen in Deutschland" in die Liste des immateriellen Kulturerbes der Bundesrepublik aufgenommen wird.

Die wertvolle Zertifizierung ist ein feiner Erfolg für die Initiatoren; und der Erfolg hat immer viele Väter. In diesem Fall ist es aber Fakt. Was jetzt Kulturerbe-Realität erfährt, entspringt einer Bierlaune. Mit einem Glas Bier in der Hand fing bei "Unges Pengste" in Korschenbroich alles an. Seither treibt ein Trio aus dem Rhein-Kreis das Kulturerbe-Projekt voran: Ansgar Heveling, Bundestagsabgeordneter aus Korschenbroich, der ebenfalls aus Korschenbroich stammende Horst Thoren als Vizepräsident der Europäischen Gemeinschaft Historischer Schützen (EGS) und deren Generalsekretär Peter-Olaf Hoffmann, der ehemalige Bürgermeister der Stadt Dormagen.

Ohne die Argumentationsstärke, den Fleiß und die Hartnäckigkeit der Befürworter aus dem Rhein-Kreis wäre das Projekt Kulturerbe womöglich nicht erfolgreich abgeschlossen worden. Zum Kreis der starken Unterstützer zählte von Beginn an auch Thomas Nickel, Präsident des Neusser Bürger-Schützen-Vereins.

Die Berufung in den Rang eines Kulturerbes ist eine Anerkennung für die Bruderschaften und die weltlichen Vereine in Deutschland, doch das Schützenwesen kennt - zumindest in Mitteleuropa - keine Grenzen. Bestes Beispiel sind die regelmäßigen Europaschützenfeste, die Ende August ihre 18. Auflage im niedersächsischen Peine fanden. Insofern werden die Schützen die Anerkennung in Deutschland nur als einen Etappensieg betrachten. Das macht auch EGS-Präsident Charles-Louis Prinz von Merode deutlich, der als Belgier in Deutschland wohnt. Er betont die grenzüberschreitende Tradition des Schützenwesens als "von herausragender Bedeutung". In den Niederlanden sei das Schützenwesen schon seit längerem als immaterielles Kulturerbe anerkannt: "Mit der Anerkennung nun auch in Deutschland sind wir der europäischen Anerkennung einen wichtigen Schritt näher gekommen."

Die Aufwertung zum Kulturerbe ist für das Schützenwesen aber nicht nur Anerkennung für Verdienste der Vergangenheit mit musealem Charakter, sondern als Träger eines Kulturerbes stehen die Schützen nun auch in der Pflicht, gesellschaftliche Kraft zu sein, die Verantwortung für das Gemeinwesen übernimmt, Nachbarschaft lebt, Geborgenheit bietet und vor allem offen ist für all jene, die bei uns Schutz, Sicherheit, Perspektive und somit eine (zweite) Heimat suchen.

(NGZ)
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