Grevenbroich Bäckerhandwerk droht auszusterben

Grevenbroich · In ganz Grevenbroich gibt es nur noch zehn Bäckerhandwerksbetriebe, die vornehmlich auf den Dörfern von Familien betrieben werden. Filialketten verdrängen das alte Handwerk, aber auch immer mehr Vorschriften.

 Im Traditionshandwerk wird der Teig tatsächlich noch mit den Händen bearbeitet. In den Filialketten entsteht das Brot maschinell.

Im Traditionshandwerk wird der Teig tatsächlich noch mit den Händen bearbeitet. In den Filialketten entsteht das Brot maschinell.

Foto: Inga Kjer

Das deutsche Brot ist seit 2014 Weltkulturerbe wegen seiner Vielfalt mit mindestens 300 Sorten. Es gibt zwar immer mehr Brot- und Brötchensorten, aber immer weniger richtige Bäckermeister, die das alte Handwerk noch beherrschen - so wie Jürgen Schall aus Grevenbroich. Die großen Bäckerei-Ketten unterhalten und eröffnen auch in der Schlossstadt immer mehr Filialen und verdrängen damit das Bäckerhandwerk.

Jürgen und Manuela Schall betreiben in der sechsten Generation das Café Breiden in der Fußgängerzone in einstmals bester Lage. Aber zunehmende Geschäftsleerstände und immer mehr Bäckereifilialen der bekannten Großbetriebe rundum stellen auch diesen Traditionsbäcker und -Konditor vor die Existenzfrage: Um das Familien-Café auch in die siebte Generation zu führen, denke man derzeit über ein neues Konzept nach, sagt Chefin Manuela Schall. Und sie wehrt sich "gegen das Gerede in der Stadt, wir würden schließen", wie sie betont. "Wir gehen och nicht in Rente". Aber es sei eben schwer, in diesen Zeiten noch als echter Handwerks- und Familienbetrieb zu bestehen, gibt sie zu.

Das kann Bäckermeister Edmund Tockloth, der kommisssarische Obermeister der Bäckerinnung im Rhein-Kreis Neuss, nur bestätigen: "In zehn bis 20 Jahren wird es das alte Bäckerhandwerk nicht mehr geben, dann werden uns die Ketten geschluckt haben." Schon jetzt gebe es kaum noch Auszubildende im Bäckerhandwerk: Aktuell seien nur sechs oder sieben Auszubildende im ersten Lehrjahr im gesamten Kreisgebiet: "Früher waren es pro Jahrgang 20 bis 30", erinnert sich Tockloth. Die großen Bäckereiketten haben auch Grevenbroich fest im Griff. Alleine zwischen Montanushof bis zum Ende der Breite Straße gibt es aktuell sechs Großbäckerei-Filialen. Eine weitere soll dem Hören nach in einen der vielen Leerstände in der Fußgängerzone einziehen.

Dem gegenüber sind bei der Kreishandwerkerschaft für das gesamte Stadtgebiet von Grevenbroich nur zehn tatsächliche Bäckerhandwerksbetriebe registriert. Sieht man also von Breiden/Schall in der Innenstadt ab, dann finden sich Traditionsbäckereien nur noch auf den Dörfern. Stattdessen haben sich auch an den Einfahrtstraßen zu Grevenbroich die Filialketten im Verbund mit den Lebensmittel-Discountern angesiedelt.

Das zunehmende Bäckerei-Sterben führt der Innungssprecher aber auch auf die Rahmenbedingungen zurück, die dem Handwerk immer weitere Erschwernisse brächten: "Das fängt mit dem Strom an", sagt Tockloth. Backwarenfabriken könnten die günstigeren Industrietarife in Anspruch nehmen, die kleinen Bäcker müssten den teuren Strom abnehmen: "Und wir hatten erst im Januar wieder eine Preiserhöhung", beklagt er. Die Ketten hätten natürlich die Möglichkeit, ihre Backwaren billiger zu verkaufen: "Zum Glück gibt es immer noch Kunden, die für Qualität auch den entsprechenden Preis zahlen wollen. Aber vor allem die jungen Leute wollen alles nur noch schnell und billig", beobachtet der Bäckermeister.

Eine riesengroße Belastung stellten für die kleinen Familienbetriebe außerdem die neuen Hygieneverordnungen dar. "Wir müssen alles dokumentieren, dabei habe ich jetzt schon 14 bis 15 Arbeitsstunden pro Tag", berichtet der Bäckermeister, der übrigens ankündigt, Klartext über die neue Hygieneverordnung bei einem besonderen Anlass sprechen zu wollen: "Am 19. Februar kommt Landwirtschaftsminister Remmel zu unserem Bäckerfrühstück nach Düsseldorf. Da werde ich ihm sagen, was ich von der neuen Hygieneampel halte", sagt der Innungs-Obermeister, der fordert: "Es muss auch eine Kontrolle der Lebensmittelkontrolle geben." Denn: "Wenn die Lebensmittelkontrolle etwas feststellt und dem Bäcker eine gelbe oder eine rote Ampel ins Schaufenster stellt, dann wird die Behörde nicht in zwei oder drei Tagen kommen, wenn der Bäcker den Missstand behoben hat, sondern erst in vier bis sechs Wochen. Bis dahin ist sein Betrieb aber längst kaputt." Dass will er dem Minister mit auf den Weg geben.

(NGZ)
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