Grevenbroich Auf dem strategischen Damm rollte nie ein Zug

Grevenbroich · Im Norden von Grevenbroich verläuft ein Bahndamm, der nie fertig wurde. Der Landschaftsverband plant dazu eine Ausstellung.

 Claus Weber erklärt den strategischen Bahndamm, der im Ersten Weltkrieg gebaut wurde und heute als Wanderweg dient.

Claus Weber erklärt den strategischen Bahndamm, der im Ersten Weltkrieg gebaut wurde und heute als Wanderweg dient.

Foto: lh, Steins, Archiv

Wer im Internet auf die Luftbildkarte des Rhein-Kreises schaut, erkennt zwischen Holzheim und Rommerskirchen einen bewaldeten Damm, der stark an eine Bahnlinie erinnert. Für die Eisenbahn war er tatsächlich vor rund 100 Jahren gedacht, doch Züge sind dort nie gefahren. Stattdessen nutzen heute Spaziergänger und Radfahrer die Anlage zur Naherholung — beispielsweise bei Hülchrath oder Neukirchen.

 Der Bahndamm wurde im Ersten Weltkrieg gebaut.

Der Bahndamm wurde im Ersten Weltkrieg gebaut.

Foto: lh, Steins, Archiv

"1914 mitten in Europa — das Rheinland und der Erste Weltkrieg": Unter diesem Motto plant der Landschaftsverband Rheinland (LVR) 2014 eine ganze Reihe von Veranstaltungen, unter anderem eine Ausstellung zum alten Damm in der ehemaligen Synagoge in Hülchrath sowie einen Aktionstag.

Einer, der den strategischen Bahndamm genau erforscht hat, ist der Bonner LVR-Archäologe Claus Weber. Er kennt den Damm und seine Geschichte gut, will 2014 im Rahmen der Geschichtsreihe "100 Jahre Erster Weltkrieg" mit seinen Kollegen Wiebke Hoppe und Wolfgang Wegener vom LVR-Amt für Bodendenkmalpflege Bürger mit dem Bahndamm vertraut machen und erklären, was es damit genau auf sich hat.

Mit dessen Bau war bereits vor dem Ersten Weltkrieg (1914-1918) begonnen worden. Er sollte eine strategisch wichtige Bedeutung haben, etwa für die Versorgung der Truppen mit Kriegsgerät an der Front bei Frankreich dienen. So plante das zumindest Generalfeldmarschall Alfred von Schlieffen. Zudem sollte der Damm — nach einem Sieg über Frankreich — der schnellen Verlegung von Truppen an die russische Front dienen. Auch aus wirtschaftlicher Sicht wäre der Gleisstrang für den Transport von Braunkohle wichtig gewesen.

Doch diese Aufgaben konnte der Bahndamm nicht erfüllen, der Großteil des Damms wurde nie vollendet. Zu sehr haben die Kriegswirren den Bau behindert. "Dabei waren nachweislich zeitweise bis zu 500 Leute mit der Aufschüttung beschäftigt — im Ersten Weltkrieg ab 1914 waren darunter viele Kriegsgefangene", sagt Weber. Auch die Versailler Verträge 1919 sorgten letztendlich dafür, dass der Ausbau gänzlich eingestellt wurde. Das Kriegsrelikt führt noch heute als stummer Zeuge vergangener Zeiten quer durchs Kreisgebiet und weiter bis nach Dernau im Ahrtal. Lediglich auf einzelnen Streckenabschnitten fahren tatsächlich Züge: "Die Bahnlinie zwischen Bergheim und Horrem etwa wurde tatsächlich fertiggestellt und mit Schienen versehen. Heute rollt dort die Erftbahn 38 in Richtung Grevenbroich oder Köln", sagt Claus Weber.

Er weiß, wo sich neben einfachen Erd-, Sand- und Kiesanhäufungen weitere Relikte befinden. Am Bahnhof in Rommerskirchen ragen neben den Gleisen der heutigen Zug-strecke auf beiden Seiten zugewucherte Brückenfundamente aus Beton in die Luft. "Dort sollte der Bahndamm die bestehende Linie nach Köln kreuzen, ein entsprechender Bahnhof war darüber vorgesehen", erklärt der Archäologe.

Mehr zum Damm und zu seiner Geschichte ist beim Aktionstag mit Exkursionen am 6. Juli zwischen 10 und 17 Uhr zu erfahren. Start ist an der ehemaligen Synagoge Hülchrath, in der zudem eine Ausstellung zum Thema zu sehen ist. "Ich finde es interessant, dass wir in Hülchrath endlich Näheres über den Bahndamm erfahren können", sagt Paul Steins, stellvertretender Vorsitzender der Dorfgemeinschaft in Hülchrath, die an diesem Tag zugleich ihr Dorffest austrägt. Infos zur Ausstellungsreihe "1914 mitten in Europa" gibt's im Internet unter www.rheinland1914.lvr.de.

(cka)
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