Ehrung Schlichter Jörg Nitschke stiftet Frieden

Grevenbroich · Im Brotberuf Kaufmann, schlichtet Jörg Nitschke in seiner Freizeit als ehrenamtlicher Schiedsmann seit zehn Jahren bürgerschaftliche Konflikte. So sorgt er für Frieden am Gartenzaun und gute Stimmung unter Nachbarn.

„Es kann der Frömmste nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt“, wusste schon Schillers Wilhelm Tell zu seufzen. Auch Jörg Nitschke könnte über derlei Auseinandersetzungen ganze Stücke schreiben. Als Schiedsmann schlichtet er freiwillig Konflikte. Seit zehn Jahren übt er dieses Ehrenamt aus, weshalb er jetzt offiziell von Bürgermeister Klaus Krützen ausgezeichnet wurde.

 Durch Marcus Beuchel, stellvertretender Direktor des Amtsgerichts (li) und Klaus Krützen wurde Schiedsmann Jörg Nitschke jetzt geehrt.

Durch Marcus Beuchel, stellvertretender Direktor des Amtsgerichts (li) und Klaus Krützen wurde Schiedsmann Jörg Nitschke jetzt geehrt.

Foto: Woitschützke, Andreas (woi)

„Ein verlässliches Bauchgefühl zu haben, ist das Wichtigste“, beschreibt er eine hervorstechende Eigenschaft in Sachen „gesunder Menschenverstand“ neben prinzipiellem juristischem Grundwissen. Auch „geduldig zuhören zu können“, sei wichtig, und zwar „grundsätzlich beiden Parteien“. Bei wie vielen Fällen im Verlaufe der vergangenen zehn Jahre Dank seiner Moderation eine Einigung erzielt werden konnte, hat er nicht gezählt. „Mal sind es ein paar Fälle im Monat, mal ein paar im Jahr“. Der 53-Jährige ist für die Quartiere Elsen, Orken und Noithausen zuständig, „alles Stadtteile, in denen man sich einigermaßen lieb hat“.

Mal geht es um einen Baum, der über ein fremdes Grundstück wächst, wenn er zu Rate gezogen wird, mal um störenden Grillgeruch oder wild geparkte Autos. „Meist sind es Nachbarn“, die miteinander Zoff haben. Und oft ist das, worüber sie sich nun nicht einigen können, bloß der Anlass, über etwas viel Grundsätzlicheres zanken zu wollen. In bester Erinnerung geblieben sind ihm zwei unerbittliche Streithähne, die „wie Don Camillo und Peppone“ zu ihm in die Sprechstunde kamen. Der eine hatte den anderen mit einem „Du bist doof!“ beleidigt, der andere mit „Du bist doofer!“ gekontert. Spannung lag in der Luft, die Widersacher wollten sich sich nicht mal die Hände geben. „Und als ich ihnen vorschlug, sie sollten doch mal bei einem Feierabendbier entspannt über die Sache reden, herrschte plötzlich Einvernehmen“, erinnert der Schiedsmann sich. „Beide waren sich einig, dass meine Idee ganz besonders doof ist.“

Sich in seiner Freizeit als Troubleshooter einzubringen, hat der gebürtige Aachener, der Zwölfjährig nach Grevenbroich kam und im Brotberuf als Industrieeinkäufer tätig ist, „nie bereut. Es gibt Sachen, über die ich nur den Kopf schütteln kann“, beschreibt er Schmunzelmomente. Ursprünglich sollte sein ehrenamtliches Engagement in Richtung Unterstützung eines Altenheims oder der Existenzhilfe gehen, „aber das ging mir zu nahe“. Offensichtlich macht er seine Sache als Schiedsmann so souverän, dass er nun gerade für weitere fünf Jahre per Wahl in seinem Amt bestätigt wurde. Per Fortbildung und im Verbund mit den Kollegen – Grevenbroich ist in acht Schiedsbezirke aufgeteilt – lassen sich „eigentlich immer Lösungen finden, mit denen alle leben können“, beschreibt er so etwas wie eine Falllösungsstrategie. „Ein wichtiges Amt“, beschreibt Marcus Beuchel, stellvertretender Direktor des Amtsgerichts Mönchengladbach, den Job. Eine privatrechtliche Lösung beim Schiedsamt erspart oft aufwendige, aufreibende Verfahren, Zeit und Geld, führt der Jurist aus. Nach seiner Beobachtung nimmt die Bereitschaft zu, eigentlich per Empathie und Menschenverstand lösbare Konflikte bevorzugt vor Gericht ausfechten zu wollen.

Nur bei drei Themenbereichen muss Jörg Nitschke passen: Wenn es um Familienangelegenheiten oder gegen Behörden geht. „Und auch für Probleme in meinem Freundes- oder Bekanntenkreis stehe ich dann niemals zur Verfügung. Da will ich in nichts hineingezogen werden.“

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