Bildung Waldorfschüler lernen anders

Uedem · Im vergangenen Sommer war die erste Waldorfschule der Region in Uedem gegründet worden. Zum kommenden Schuljahr sind neue Anmeldungen möglich. Auf Sicht wünscht sich die Schule Möglichkeiten zum Ackerbau.

Foto: Evers, Gottfried (eve)

Von ANJA SETTNIK

Nicole Fröhlich ist lange genug dabei, um die üblichen Witzeleien über ihre Schulform gelassen abzublocken. Bei „Waldorfpädagogik“ fällt manchem nicht viel mehr ein als „seinen Namen tanzen“. Tatsächlich gehört die anthroposophische Bewegungskunst namens „Eurythmie“ zu den Grundpfeilern der Lehre, die seit Sommer 2019 auch im Kreis Kleve unterrichtet wird. Ja, es gebe eine Lehrerin für Eurythmie in Uedem, und die Jahre an der Waldorfschule in Dinslaken hätten ihr gezeigt, dass viele Schüler die körperlich-kunstvolle Umsetzung von Sprache und Musik sehr gern  hätten. Wichtiger sei aber anderes: das Lernen in „Epochen“, der Verzicht auf Zeugnisnoten, das handwerklich-praktische Arbeiten. Bislang lernen auf diese Weise 37 Kinder vorwiegend aus dem Kreisgebiet in Uedem. Im Sommer soll eine neue erste Klasse eingerichtet werden.

 Die Freie Waldorfschule Niederrhein-Aue ist in der früheren Verbundschule untergebracht.

Die Freie Waldorfschule Niederrhein-Aue ist in der früheren Verbundschule untergebracht.

Foto: Evers, Gottfried (eve)

Maren Rembold aus Kleve hat selbst einige Jahre lang eine Waldorfschule besucht (bis die Eltern an den Niederrhein zogen, wo es diese Schulform nicht gab) und ist überzeugt vom Konzept. Deshalb hat die gelernte Gestaltungstechnikerin, die in Münster studierte und heute ein Design-Atelier in Kleve betreibt, ihren Sohn gleich zu Beginn in Uedem angemeldet. Sie ist Elternvertreterin und sprach gemeinsam mit der Schulleiterin mit der Rheinischen Post. Ihre Erinnerung an die Waldorf-Schulzeit: „Die Kinder werden dort zu größerer Selbständigkeit erzogen, sie lernen strukturierter und ganzheitlicher.“

Nicole Fröhlich, deren Tochter Jana ebenfalls an der Uedemer Schule unterrichtet, ist Quereinsteigerin. „Ich war Kunstglaserin und Restauratorin und habe erst nach der Kinderphase Waldorfpädagogik studiert.“ 14 Jahre lang hat sie in Dinslaken gearbeitet, bevor sie eine der Gründungslehrerinnen im Kreis Kleve wurde. Ihre Kolleginnen unterrichten Kinder derzeit in altersgemischten Klassen: Erst- und Zweitklässler in einer, Dritt- und Viertklässler in der anderen. Wenn es genügend Anmeldungen (vielleicht auch von Seiteneinsteigern) gibt, sollen die Schüler jedoch jahrgangweise lernen.

Dieses Lernen unterscheidet sich deutlich von dem in anderen Schulen. „Wir arbeiten epochenweise. Das heißt, dass die Kinder bei ihrer Klassenlehrerin einige Wochen zum Beispiel nur Mathe haben, danach steht ein anderes Fach im Zentrum.“ Praktische Unterrichtsreihen wie Stricken oder Werken sind wichtig. Aber genauso werden „normale“ Fächer wie Sprachen, Naturwissenschaften oder  Gesellschaftswissenschaften gelehrt. Schließlich sollen die Schüler befähigt werden, einen vergleichbaren Schulabschluss oder sogar eines Tages das Abitur zu machen.  Den „zentralen mittleren Bildungsabschluss“ haben Waldorfschüler nach Klasse 11. Über die Leistungen ihres Nachwuchses erfahren die Eltern bis zur Klasse 10 nicht durch klassische Noten, sondern durch  sehr individuelle Textzeugnisse.

„Wesentlich ist bei uns die Elternmitarbeit. Wir sind selbst verwaltet, eine Schule in freier Trägerschaft. Wir Eltern organisieren das Mittagessen mit, entscheiden über alle  Strukturen, über das Geld, über Einstellungen“, erklärt Maren Rombold. Vorerst sorgen die Eltern auch für den Transport der Kinder, denn noch lohnt sich kein Bussystem.  Klever Familien haben zum Beispiel eine Fahrgemeinschaft organisiert, um nicht jeden Tag „Taxi“ spielen zu müssen.

Was den Pädagogen und überzeugten Eltern in Uedem derzeit wirklich noch fehlt, ist die Möglichkeit, zu „ackern“. Waldorf-Schüler sollen erleben, wie das Korn wächst, aus dem das Brot wird, auch Tierhaltung ist geplant. „Wären wir in Berlin Mitte, wäre das etwas anderes, aber in dieser ländlichen Region wollen wir schon unseren eigenen Acker haben“, sagt Nicole Fröhlich. Ob es möglich sein wird, nahe des Schulgebäudes eine entsprechende Fläche anzumieten, ist noch unklar. Das ist nicht zuletzt eine Frage des Geldes. Bis dahin nutzt die Schule ein etwas abseits gelegenes Feld.

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