Goch Über Bedarf ausbilden: Ist das sinnvoll ?

Goch · Die Industrie- und Handelskammer hat zu dem Thema eine klare Meinung: "Keine Ausbildung zu haben, ist für junge Menschen das größte Risiko", heißt es. Die Unternehmen handhaben das unterschiedlich.

 Mit dem Ausbildungsvertrag hat man keine Übernahmegarantie in der Tasche.

Mit dem Ausbildungsvertrag hat man keine Übernahmegarantie in der Tasche.

Foto: Schierenbeck

/ KEVELAER 16 Auszubildende haben jetzt bei der Volksbank an der Niers erfolgreich ihre Prüfung abgelegt. Nur sechs von ihnen werden von der Bank übernommen. "Schade" findet das Rita Hobucher aus Kerken, die in einem Leserbrief kritisiert hatte, dass mehr Auszubildende eingestellt werden, als später übernommen werden können. "Ich finde diese Vorgehensweise nicht sehr glücklich und überdenkungswürdig", schrieb sie.

"Grundsätzlich entspricht es unserer Philosophie, die Anzahl der Ausbildungsplätze an unserem Personalbedarf auszurichten", erläutert Elke Schax, Abteilungsleiterin Personal bei der Volksbank an der Niers. Da die Praxis der vergangenen Jahre gezeigt habe, dass nach Ausbildungsende einige der jungen Bankkaufleute ein Vollzeitstudium aufnehmen oder sich anderweitig beruflich orientieren, bilde die Bank vorsorglich in einem gewissen Umfang über dem konkreten Bedarf aus. "Da der Personalbedarf in den letzten Jahren in unserem Hause rückläufig ist, haben wir die Anzahl der Ausbildungsplätze sukzessive reduziert. In 2016 haben zwölf junge Menschen eine Ausbildung in unserem Hause begonnen. Ab 2017 stellen wir bis auf Weiteres nur noch zehn Auszubildende pro Jahr ein."

Jürgen Kaiser, Bildungsexperte der IHK, findet es auch grundsätzlich gar nicht verkehrt, mehr Ausbildungsstellen anzubieten. "Keine Ausbildung zu haben, ist für junge Menschen das größte Risiko. Daher ist es wichtig, dass sie erst einmal eine Ausbildungsstelle bekommen", sagt er. Man werde im Ausland überall für das duale System beneidet, eben weil der Nachwuchs dadurch eine breite qualifizierte Ausbildung bekomme. Selbst wenn jemand in seiner Firma dann nicht übernommen werde, hätten junge Menschen mit abgeschlossener Ausbildung woanders damit gute Chancen.

Der Kreis Kleve hat dazu eine klare Meinung. Der Kreistag hat beschlossen, zur "Sicherung der Zukunftschancen der Jugendlichen im Kreis Kleve" über den Bedarf hinaus einzustellen. 14 Ausbildungsstellen über den Bedarf hinaus stehen im Stellenplan. "Wir machen allen Jugendlichen deutlich, dass es keine Übernahmegarantie gibt", sagt Elke Sanders, Sprecherin des Kreises Kleve. Gleichwohl sei die Quote dann oft doch recht hoch. Zuletzt haben zehn Jugendliche ihre Ausbildung bei der Kreisverwaltung erfolgreich beendet. Acht von ihnen wurden übernommen, zwei gehen studieren. "Wer einen vernünftigen Abschluss mit Note 3 macht, hat gute Chancen auf eine Festanstellung."

Auch bei der Stadtverwaltung Kevelaer ist es so, dass im nicht verwaltungstypischen Bereich über den Bedarf ausgebildet wird. "Wir sagen das auch ganz deutlich. Oft werden die Jugendlichen dann doch übernommen, weil Bedarf ist. Vielen ist die Ausbildung aber auch wichtig, um Berufserfahrung zu sammeln und später dann zu studieren", sagt Personalchef Werner Barz. Im Durchschnitt gibt es 15 Ausbildungsplätze bei der Stadt Kevelaer.

In Geldern wurde bis vor drei Jahren über den Bedarf ausgebildet. Seitdem werden jetzt nur noch so viele Auzubildende eingestellt, wie man auch übernehmen könnte. Im Sommer fangen drei neue Azubis an. Insgesamt gibt es 16.

Bei der Verbandssparkasse Goch-Kevelaer-Weeze sind in den vergangenen fünf Jahren immer alle Auszubildenden übernommen worden. Jetzt war es sogar so, dass die Bank die drei eigenen Kräfte übernommen hat und noch vier junge Mitarbeiter zusätzlich eingestellt hat, die gerade ihre Ausbildung bei anderen Geldinstituten beendet hatten. "Ziel ist, unsere Personaldecke auf einem konstanten Niveau zu halten", so Jochen Rademacher vom Bereich Marketing.

Achim Zirwes von der Handwerkskammer des Kreises Kleve hat zu dem Thema eine klare Meinung. "Wichtig ist es, da immer mit offenen Karten zu spielen. Die Jugendlichen müssen wissen, wie die Chancen sind, übernommen zu werden", sagt er. Im Handwerk sei es ohnehin so, dass die Übernahmechancen derzeit glänzend seien. Elektriker beispielsweise würden fast direkt von der Schulbank geholt, so dringend sei der Bedarf. In allen Bereichen, die mit Bau und Ausbau zu tun haben, sei Nachwuchs gefragt und werde händeringend gesucht.

(RP)
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