Goch Talent braucht kein Gehör

Goch · Adalina Töws aus Kalkar ist gehörlos. Ihre Lehrstelle bei der Firma Völcker-Druck in Goch bekam sie trotzdem. In diesem Sommer wird sie ihre Ausbildung zur Offsetdruckerin beenden. Und hat allen Grund, stolz zu sein.

Ja, sie würden es wieder tun, trotz aller (bürokratischen) Hürden und technischen Schwierigkeiten. Heiner Völcker-Janssen, Inhaber der Firma Völcker-Druck in Goch, ging gemeinsam mit Geschäftsführer Stefan Vüllings das Wagnis ein: Sie gaben der gehörlosen Adalina Töws (23) aus Kalkar die Chance – und die junge Frau nutzte sie. "Adalina ist absolut farbsicher", sagt Stefan Vüllings, der selbst inzwischen Übung darin hat, so sauber artikuliert zu sprechen (und alles mit Gesten zu unterstützen, dass Adalina ihn gut versteht).

Eine Gehörlose als Azubi in einer Druckerei – geht das? Ist das nicht viel zu gefährlich ob all der Maschinen, die sie ja gar nicht hört: Wenn sie ohnehin schon in Betrieb sind, ist das kein Problem. In dem Moment, in dem sie anlaufen, könnte es durchaus eines werden – weil die akustischen Warnsignale, die sie machen, bei Adalina ja gar nicht ankommen.

Die zerstreuten Bedenken

Ein Bedenken von vielen – "aber die nette, engagierte Dame von der Arbeitsagentur Wesel, die unterwegs war, um einen Ausbildungsplatz für Adalina zu finden, hat sie alle zerstreut", so Heiner Völcker-Janssen im Gespräch mit der RP.

Völcker-Janssen und Stefan Vüllings gingen das Wagnis ein, weil es kalkulierbar war. Ein Jahr lang machte Adalina ein Praktikum in dem graphischen Betrieb. Danach war klar: Ja, sie bekommt einen Ausbildungsplatz, ja, gemeinsam werden wir es schaffen. Und ganz schnell stellte sich heraus, wie viel Talent die junge Frau für den Beruf hat. Einleuchtend: Dass sie nicht hört, schärft ihre anderen Sinne. Sie spüre am Windhauch, wenn jemand hinter ihr vorbei laufe, sie spüre an den unterschiedlichen Vibrationen ganz genau, was welche Maschine gerade mache – und sie habe eben die erwähnte Farbsicherheit, sagt Stefan Vüllings. Heiner Völcker-Janssen: "In der Zwischenprüfung musste sie beispielsweise aus den vier Grundfarben einen ganz bestimmten Farbton mischen. Adalina war die einzige, die die vollen hundert Punkte dabei erreichte!"

Zu einem wirklichen Problem schienen sich während der Ausbildung allerdings dann doch die besagten Sicherheitsfragen zu entwickeln. Hin und her habe man verhandelt, nichts habe zum Ziel geführt, nur Eines sei scheinbar klar gewesen: teuer würde es werden, so Heiner Völcker-Janssen. In Zusammenarbeit mit einem örtlichen Hörgeräteakustiker aber war die Lösung dann erstens schnell und zweitens auch noch viel günstiger erreicht, als das zunächst zu erwarten war.

Die spürbare Begeisterung

Adalina selbst? Die Begeisterung für die Arbeit ist ihr deutlich anzumerken. Mit den Kollegen kommt sie gut zurecht. Stefan Vüllings: "Die Kommunikation klappt, notfalls mit Händen und Füßen." Und sie klappt immer besser. Und nun? Jetzt stehe die Prüfung an, macht Adalina deutlich. Im Sommer geht sie über die Bühne. Ihre Chefs und Kollegen haben keinen Zweifel daran, dass sie es schaffen wird.

(RP)
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