Goch Surreales mit YouTube
Goch · Der Titel der ersten Einzelausstellung in Deutschland von Talia Keinan lautet "the mountain and the shivering fact". Die junge israelische Künstlerin stellt im Museum Goch Zeichnungen aus und präsentiert Videoinstallationen.
Ebenso zart wie ihr Händedruck sind auch ihre Zeichnungen. Mit feinem Strich lässt sie Gesichter, Menschen und Situationen entstehen, die den Betrachter in den Bann ziehen. Dabei gelingt es ihr mit minimalen Mitteln, häufig ausschließlich Grau- oder leichten Pastelltönen, den Museumsbesucher in eine eigene Welt zu entführen. Eine Welt, deren Zauber kaum zu greifen und dennoch räumlich präsent ist.
Vollständig abgedunkelt
Geradezu monumental erscheint dagegen eine der Videoinszenierungen, die Talia Keinan vorbereitet hat. Ab morgen präsentiert die Künstlerin, die im Bereich Video, Videoinstallation und Zeichnung arbeitet, im Museum Goch ihre erste Einzelausstellung in Deutschland. Der Titel lautet "the mountain and the shivering fact", und ein Berg ist es dann auch, der in einem der beiden vollständig abgedunkelten Räume die Blicke der Besucher auf sich zieht.
Als schwarzes Tuch erstreckt sich der massive Berg an der Wand beinahe bis zur Decke. Hoch oben auf sein Plateau wirft ein Beamer ein Video. Darin sind unter anderem sieben Tänzer zu sehen, Vogelschwärme und ein Feuerwerk, das auf dem breiten Berggipfel Erinnerungen an einen Vulkanausbruch weckt. Ton und Licht spielen für den Gesamteindruck ebenfalls eine entscheidende Rolle und lassen das Werk weit in den Raum treten. Weitere Beispiele für das Dreidimensionale sind der virtuelle Brunnen auf dem Boden oder ein an die Wand projiziertes, scheinbar zerstörtes Auto.
Was Keinan selbst "skulpturale Arbeiten" nennt, ist für Museumsleiter Dr. Stephan Mann überdies kennzeichnend für das zentralste Thema der Kunst: "die Vielschichtigkeit der Wahrnehmung". Dabei freut sich Mann in Keinans Fall besonders darüber, dass dieses Phänomen dem Besucher "nicht aufdringlich, nicht mit dem Holzhammer" präsentiert wird. Keinan möchte "das Sehen aufrütteln und sensibles Sehen ermöglichen".
Sowohl in den Zeichnungen als auch bei den Rauminstallationen spielen wiederkehrende Elemente eine Rolle. Vor allem Feuer und Wasser sind immer wieder kennzeichnend für die Dramaturgie der Kunst Keinans, die trotz der unterschiedlichen Medien zu einer Gesamtkomposition verschmelzen.
Mann sieht im Werk der 32-Jährigen Parallelen zum Surrealismus eines Max Ernst, der bekanntlich ebenfalls mit verschiedenen Collage- und Kombinationstechniken arbeitete. Was bei Ernst Katalogseiten und Illustrationen waren, sind bei Keinan beispielsweise eigene Tonaufnahmen und YouTube-Videos. Die junge Künstlerin stammt übrigens aus Israel und während der Betrachter ob dieses Wissens reflexartig politische oder religiöse Botschaften zu erkennen glaubt, weist Keinan jeden Symbolismus weit von sich – denn genau an dieser Schnittstelle setzt ihr eigener Surrealismus, ihr ambivalenter Zugang zur Wirklichkeit ein.