Gocher Feuerwehrchef „Wir wissen, dass unser Job gefährlich ist“

Interview | Goch · Stefan Bömler ist seit Oktober 2021 Wehrleiter der Feuerwehr Goch. Wir sprachen mit ihm nach dem verheerenden Brand im Gocher Industriegebiet: Er weiß um die Gefahren und um seine Verantwortung.

 Stadtbrandinspektor Stefan Bömler vor der neuen Drehleiter am Feuerwehrgerätehaus Goch. Eine gute Ausbildung und große Vorsicht bei jedem Einsatz seien unerlässlich, um ernste Folgen für die Kameraden möglichst zu verhindern, sagt der Wehrleiter. Absolute Sicherheit gebe es jedoch nicht.

Stadtbrandinspektor Stefan Bömler vor der neuen Drehleiter am Feuerwehrgerätehaus Goch. Eine gute Ausbildung und große Vorsicht bei jedem Einsatz seien unerlässlich, um ernste Folgen für die Kameraden möglichst zu verhindern, sagt der Wehrleiter. Absolute Sicherheit gebe es jedoch nicht.

Foto: Evers, Gottfried (eve)

Wenn die Sirenen heulen, müssen sie stehen und liegen lassen, womit sie gerade beschäftigt sind, um Leben, Hab und Gut anderer Menschen zu retten. Nicht immer ist auszuschließen, dass die Feuerwehrleute selbst Schaden nehmen, wie es beim jüngsten Großbrand in Goch der Fall war. Wir sprachen mit Stefan Bömler, 55-jähriger Familienvater und seit Oktober Wehrleiter der Gocher Feuerwehr.

Herr Bömler, Außenstehende machen sich darüber meist eher wenig Gedanken, aber  angesichts zweier brandverletzter Feuerwehrleute beim jüngsten Hallenbrand drängt sich die Frage auf: Kann man solch gefährliche Einsätze Ehrenamtlern überhaupt  zumuten?

Stefan Bömler Natürlich, denn dafür sind wir da. Denn in erster Linie sind wir Feuerwehrleute und genauso gut ausgebildet und ausgestattet wie die Kameradinnen und Kameraden, die das hauptberuflich machen. Zu unserer Ausbildung gehört es, Gefahren einzuschätzen. Denn wir wollen so wenig Risiko wie möglich eingehen. Trotzdem ist unser Job gefährlich. Das wissen wir und damit können wir umgehen.

Wenn dann doch etwas passiert – zwei Ihrer Kameraden erlitten Brandverletzungen, einer soll in kritischem Zustand sein –  woran hat es gelegen?

Bömler Es gibt fraglos immer ein Restrisiko. Im Fall der abgebrannten Gewerbehalle konnten wir nicht darauf eingestellt sein, dass es zusätzlich zum Brand zu einer derartigen explosionsartigen Rauchgasdurchzündung in dem baulich getrennten vorderen Hallenbereichen kommt. Um die Ursachenforschung kümmern sich die Ermittler; inzwischen wird ja davon ausgegangen, dass das Feuer an der Böschung zu den Bahngleisen  ausbrach.  Grundsätzlich ist das erste, was wir an einem Einsatzort tun, die Erkundung der Lage. Wenn möglich fragen wir Menschen, die sich vor Ort auskennen, womit zu rechnen ist, ob da vielleicht gefährliche Stoffe lagern. Im Fall Keyzers geschah die Explosion jedoch schon wenige Minuten, nachdem wir  eingetroffen waren. So schnell lagen wichtige Erkenntnisse einfach nicht vor.

Ich stelle mir vor, Ihre Verantwortung als Chef ist riesig. Eine große Gruppe Menschen inklusive ihrer besorgten Angehörigen kann immer nur hoffen, dass alles gut geht . . .

Bömler Auch unsere Angehörigen wissen, wie oft und intensiv wir üben und wie umfangreich unsere Ausbildung ist. Zu der gehört, wie gesagt auch, potenzielle Gefahren vorab zu checken. Ich war gerade erst im Amt, als sich bei einem Hausbrand Feuerwerk, das auf dem Dachboden gelagert war, entzündete. Es ist gut, wenn Bewohner vor so etwas vorher warnen.

Feuer begleitet Sie ja nicht nur im Ehrenamt, Sie haben damit auch beruflich zu tun. Ist das Zufall – Ihr Vorgänger Georg Binn ist ebenfalls Schornsteinfeger?

Bömler Das hat schon miteinander zu tun. Früher war es sogar verpflichtend, mindestens Brandmeister zu sein, um den Meister im Schornsteinfegerhandwerk machen zu können. Heute gilt das zwar nicht mehr, aber es ist schon hilfreich, sich mit vorbeugendem Brandschutz auszukennen. Und die Ortskenntnis macht viel aus: In meinem Kehrbezirk Goch Stadtmitte kenne ich die Häuser, Gasleitungen, Kamine sowie die Zugänge zu den Wohnungen. Das ist ein Vorteil.

Wie können Sie Ihren Feuerwehrleuten helfen, wenn sie belastende Einsätze hatten, bei denen sogar Kameraden verletzt wurden?

Bömler Es gibt Nachbesprechungen und Notfallseelsorger, bei Bedarf steht uns auch psychologische Hilfe zur Verfügung, Ganz viel macht schon die Wertschätzung und Unterstützung der Bürger aus. Wenn wir vor Ort  bei  stundenlanger Schwerstarbeit in extremer Hitze mit Getränken versorgt werden, wenn Arbeitgeber bereit sind, Feuerwehrleute zu beschäftigen und wir die Ausrüstung bekommen, die wir brauchen, dann sind das alles wichtige Bausteine.

Andernorts ist es für die Freiwillige Feuerwehr schwierig, Nachwuchs zu gewinnen, in Goch hat man davon noch nicht gehört . . .

Bömler Nein, in Goch funktioniert das noch sehr gut, wir haben sogar mehr Bewerbungen als wir aufnehmen können. Das hängt mit intensiver Kontaktpflege zu den Firmen, mit der Pflege der Geselligkeit,  aber auch mit der beliebten Jugendfeuerwehr zusammen, aus der der Großteil unseres Nachwuchses kommt. Aber wir brauchen auch viele Kameraden: Bei dem jüngsten Brand haben wir daher alle Ortsteile alarmiert und sogar noch Weeze dazu gerufen, damit wir wirklich genügend Kräfte vor Ort hatten.

Mancher Einsatz ist ja auch körperlich sehr fordernd. Was tun Feuerwehrleute für ihre Fitness?

Bömler Es gibt regelmäßig Untersuchungen, zu denen ein Belastungs-EKG und ein Lungenfunktionstest gehören, die Kameraden aus dem Atemschutztrupp trainieren zudem mit einem Hitzesimulator, der sie während eines Streckenlaufs in voller Montur auch mit Geräuschen und Schreien konfrontiert. Zudem sind wir sportlich aktiv, eine größere Gruppe zum Beispiel legt gerade das Sportabzeichen ab.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort