Goch Soziales Handeln als Schülerpraktikum

Goch · Eigentlich sieht sich Zehntklässler Emanuel Döring schon als Architekt. Das Sozialpraktikum, das der Gaesdoncker derzeit in der Pestalozzischule leistet, hat ihm aber noch eine andere Idee eingegeben: Lehrer zu werden.

 Emanuel Döring (2.v.r.) mit Kindern der Gocher Förderschule auf dem sogenannten Bauteppich.

Emanuel Döring (2.v.r.) mit Kindern der Gocher Förderschule auf dem sogenannten Bauteppich.

Foto: GOTTFRIED EVERS

Dass er gut mit Kindern umgehen kann, weiß Emanuel schon lange. Schließlich hat der 16-Jährige einen jüngeren Bruder, mit dem er gut auskommt und mit dem er sich gerne beschäftigt. Vor dem ersten Tag in der Gocher Förderschule war der Gaesdoncker Gymnasiast dennoch ziemlich nervös. Wie würden die Kinder auf ihn reagieren? Hätte er Probleme, als "Autorität" akzeptiert zu werden? Das durfte nicht sein, lernte er schnell. "Alle unsere Praktikanten werden mit ,Sie' angesprochen, denn für die Schüler, zumindest im Primarbereich, sind sie Erwachsene", sagt Schulleiter Stephan Schultze. Der Konrektor der Astrid-Lindgren-Förderschule ist zuständig für den Zweitstandort Pestalozzischule und erlebt das Sozialpraktikum zum ersten Mal. "Wir begrüßen es sehr, wenn wir zusätzliche Unterstützung haben, und bieten einem jungen Menschen natürlich auch gerne die Möglichkeit, sich auszuprobieren", sagt Schultze. Die Kinder finden es sowieso toll, einen Ansprechpartner mehr zu haben. "Mal ohne Zeitdruck mit einem Erwachsenen spielen zu können genießen sie sehr", weiß der Schulleiter.

"Erwachsen" sein zu müssen kam Emanuel anfangs fremd vor, andererseits ist er es gewohnt, Verantwortung zu tragen. "Ich bin Tutor im Juvenat", erklärt der Internatsschüler. In dem Trakt, in dem Gaesdoncks Fünft- bis Zehntklässler wohnen, ist er quasi Mittelsmann zwischen Schülern und Erziehern. "Die Schüler sprechen mich an, wenn es Probleme gibt oder sie den Erzieher nicht fragen wollen", erklärt der 16-Jährige. Er sei einer, der mit allen gut klar komme, zuhöre und viele Aufgaben übernehme. "Der Erzieher meiner Wohngruppe hat mich deshalb für das Amt vorgeschlagen."

In der Pestalozzischule sind die Jungen und Mädchen, die schnell zu ihm Vertrauen fassten, natürlich deutlich jünger - Grundschüler eben. Aber Emanuel macht es nichts aus, sich auf ihre Interessen einzulassen. "Nach dem Essen sitze ich meist mit einigen auf dem Bauteppich. Die Kinder sind gerne kreativ und stapeln Türme oder bauen Fantasie-Häuser." Klar, dass der Gaesdoncker daran Spaß hat, denn er möchte gerne Architekt werden. Obwohl: "Weil ich gerne anderen etwas beibringe, könnte ich mir nach fast drei Wochen Praktikum in der Schule auch vorstellen, Lehrer zu werden." Die Berufsfindung ist beim Gaesdoncker Sozialpraktikum übrigens nur untergeordneter Aspekt. Lehrerin Dr. Simone Lange erläutert: "Uns geht es vor allem darum, den Schülern Selbsterkenntnis zu vermitteln und sie mit Menschen in Kontakt zu bringen, die Hilfe brauchen. Jemandem Zeit zu widmen ist eine persönliche Herausforderung und wichtige Erfahrung." Und passt natürlich bestens zu Gaesdoncks Menschenbild.

Am kommenden Samstag ist Unterricht am bischöflichen Gymnasium; "da wird es Reflexionsgruppen geben, in denen sich die Jugendlichen über ihre Erfahrungen im Praktikum austauschen", berichtet Simone Lange. Die Schüler haben sich in Krankenhäusern, Altenheimen, bei Freudenberg, im Petrusheim, in Kindergärten und Schulen eingebracht. Drei Wochen lang waren sie nicht Schüler, sondern Helfende und Anleitende. Sie trugen Verantwortung und spürten, wie sich Geben anfühlt - für viele eine ganz neue Rolle. Emanuel half den Kleinen im Unterricht, gab Tipps, aß mit ihnen und spielte nachmittags im Zuge des offenen Ganztags auf dem Pausenhof. "Unsere Erfahrung ist, dass die Schüler die Praktikumszeit als Gewinn für sich erleben, auch, wenn mancher vorher skeptisch war", sagt seine Lehrerin.

(RP)
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