Goch Selbstlernzeit statt Hausaufgaben

Goch · Hausaufgaben "so wie früher" sind Vergangenheit an der Liebfrauenschule in Goch. Schon im ersten Schuljahr wird die Selbstständigkeit der Kinder gefördert, Lernen gelehrt. Diese "Selbstlernzeit" hat sich vom Start weg bewährt.

 Volle Konzentration in der 1b der Liebfrauenschule, 30 Minuten lang: Klassenlehrerin Hannah van Wickeren vom Ganztag beantwortet in der "Selbstlernzeit" Fragen einzelner Kinder flüsterleise. Denn es ist mucksmäuschenstill.

Volle Konzentration in der 1b der Liebfrauenschule, 30 Minuten lang: Klassenlehrerin Hannah van Wickeren vom Ganztag beantwortet in der "Selbstlernzeit" Fragen einzelner Kinder flüsterleise. Denn es ist mucksmäuschenstill.

Foto: Gottfried Evers

Still ist es im Klassenraum der 1b. Mucksmäuschenstill. Und das nicht etwa, weil die Kinder untätig sind. Im Gegenteil. Volle Konzentration. Auf die Aufgabenhefte, die vor den i-Dötzchen liegen. Da wird richtig intensiv gearbeitet, kein Schwatzen, kein Gucken nach links und rechts. Geradezu vertieft in ihre Aufgaben wirken die Kleinen. Auch Liebfrauen-Konrektorin Carolin Fink, die gerade mit der RP den Klassenraum betritt, flüstert nur ganz leise. Diese durchaus disziplinierte Stille – für die Kinder ist sie schließlich schon jetzt ganz selbstverständlich geworden.

Wieder draußen vor der Tür – Störungen sind in diesen 30 "Selbstlernzeit"-Minuten ja ausdrücklich unerwünscht – erklärt sie, was das Ganze auf sich – und mit Hausaufgaben zu tun hat: "Schon seit Jahren diskutierten wir im lehrerzimmer immer wieder über unsere Unzufriedenheit mit dem klassischen Hausaufgaben-System. Das raubt nämlich dem eigentlichen Unterricht sehr viel Zeit. Das alte Schema ,Mathebuch, Seite 24, Nummer 5' ist so nicht mehr tragbar, weil die Aufgabenstellung heute viel zu undifferenziert wäre: Einige Kinder sind in weniger als zehn Minuten damit fertig, andere brauchen vielleicht die in Klasse 1 und 2 vorgegebenen 30 minuten, wieder andere (und nicht wenige) Kinder aber hätten eine Stunde und mehr dafür nötig."

Also: Differenzierte Hausaufgaben müssen her, ganz klar. Carolin Fink: "Das bedeutet dann aber: Verschiedene Hausaufgaben müssen ausgewählt und erklärt sein. Den Kindern muss klar sein, wer welche Hausaufgaben machen soll. Die Aufgaben müssen ins Hausaufgabenheft abgeschrieben werden, was im ersten Schuljahr sehr lange dauert. Am nächsten Tag steht dann die Kontrolle der unterschiedlichen Hausaufgaben an. Und das jeden Tag."

Mehr als 20 Minuten einer Unterrichtsstunde sind so ganz schnell weg. Nur für die Hausaufgaben. Carolin Fink: "Also haben wir mehrere Konferenzen dafür verwendet, uns mit einem neuen HausaufgabenKonzept auseinanderzusetzen." Das Ergebnis: die zunächst testweise Einführung der "Selbstlernzeit". Carolin Fink: "Wir lassen die Kinder im Rahmen der zeitlichen Vorgaben, hier also der 30 Minuten, an geeignetem Material differenziert und selbstständig arbeiten." Bei der "Premiere" in einer vierten Klasse bewährte sich voriges Schuljahr das Konzept in der Praxis sofort. In der Schule funktioniert das prächtig. Und zuhause bei den (wenigen) Kindern, die nicht am offenen Ganztag teilnehmen, offenbar genau so gut. Einfach, weil die Kinder ja gelernt haben und ständig besser lernen, selbstständig zu arbeiten.

Materialien, Übungshefte? Die Liebfrauenschule hat sie. "Einsterns Schwester" (so das Deutsch-Heft) und der "Mathepilot" werden dafür verwandt. "Sie werden in Anlehnung an unsere Unterrichtslehrwerke eingesetzt", so Carolin Fink. "Die Kinder arbeiten in diesen Heften fortlaufend und nicht wie bisher an täglich neu gestellten Aufgaben."

Hausarbeit, ganz anders: Ja, man halte sich an die Vorgaben des aus Düsseldorf vorgegebenen Haussaufgabenerlasses, betont die Konrektorin. "Aber es entfällt das tägliche Besprechen, Notieren, es entfällt die Kontrolle. Wir haben effektiv mehr Unterrichtszeit zur Verfügung." Lehrer und Eltern behalten jederzeit einen Überblick darüber, wer was gemacht hat. Die Hausaufgaben-Dokumentation macht's möglich. Und – das zählt ganz besonders: An dieser Form der konzentrierten Selbstlernzeit haben die Kinder selbst großen Spaß.

(RP)
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