Goch „Ich war doch nur ein Schmied“

Goch · RP-Sport-Chefreporter Robert Peters aus Goch hat seinen Erstlingsroman über das Leben seines gleichnamigen Großvaters vorgelegt. Ein Stück deutsche Zeitgeschichte und Gocher Lokalhistorie aus der Sicht eines 85-Jährigen.

 Der aus Goch stammende RP-Sportredakteur Robert Peters, besser bekannt als Bob, zeigt seinen ersten Roman, auf dem Cover Opa als Soldat.

Der aus Goch stammende RP-Sportredakteur Robert Peters, besser bekannt als Bob, zeigt seinen ersten Roman, auf dem Cover Opa als Soldat.

Foto: Gabriele Peters

Die Geschichte Deutschlands und der Familie Peters aus Goch beginnt im Irrenhaus. Robert Peters, 85 Jahre alt, liegt gefesselt in einem Bett der Klinik in Bedburg-Hau. Selbstmordversuch, hat man ihm gesagt. Es ist seine letzte Nacht, nachdem er in den beiden Wochen zuvor immer stärker kämpfen musste mit den Dämonen in seinem Kopf. In diesen letzten Stunden zieht in einem Zustand zwischen Wachen und Träumen sein Leben an ihm vorbei, von der Kaiserzeit über die beiden Weltkriege bis zur Bonner Republik. Ein ungewöhnliches Buch, teils Historiendrama, teils Familiengeschichte, teils Heimatliteratur, immer fesselnd zu lesen. Denn der gleichnamige Enkel Robert Peters hat eine ungewöhnliche Erzähl-Position gewählt, beschreibt in seinem Erstlingsroman „Ich war doch nur ein Schmied“ die 85 Jahre im Leben seines Opas aus der Ich-Perspektive – an der Schwelle zum Tod am 11. April 1975.

Der in Mönchengladbach lebende und in Goch geborene RP-Chefreporter Sport, der im Buch immer wieder als „Röbke“ auftaucht, hat sich auf ein völlig neues Feld gewagt, denn zuhause ist er eigentlich in der Welt des Sports. Vor allem als Berichterstatter der Deutschen Fußball-Nationalmannschaft, deren Werdegang er mit so freundlich-distanzierter Art wie feinsinnig-ironischer Distanz verfolgt. „Den Stil musste ich völlig ändern. Es war sehr schwierig, mich in die Gedankenwelt meines Opas einzufühlen, zumal er nie viel gesprochen hat. Aber ich habe viel Zeit mit ihm verbracht“, berichtet der 62-Jährige über die Herangehensweise an die fast schon holzschnittartige Erzählform „des sturen, wortkargen und aufrechten Katholiken“. Es habe über Jahre in ihm rumort, dieses Buch zu schreiben, „weil ich immer einen guten Draht zu ihm hatte“. Dann nahm er sich die geerbte Mappe des Großvaters vor mit gesammelten Geschichten und Gedichten, überprüfte im Stadtarchiv Goch und auf der Insel Usedom historische Details, holte sich Erinnerungen in der Familie – und nahm 176 Seiten lang die Position des Opas ein.

Kapitel für Kapitel spult Peters das Leben des am 4. Februar 1890 in Goch geborenen Großvaters detailliert-liebevoll ab, immer wieder mit eingestreuten Anekdötchen aus Goch oder Begebenheiten aus der wachsenden Familie. Und man erfährt mehr über die Dämonen des gelernten Schmieds und Schlossers. Denn der im Kaiserreich geborene hünenhaft-starke Gocher erlebte beide Weltkriege in ihrem ganzen Schrecken. Von 1914 bis 1918 in den mörderischen Schützengräben von Verdun in Frankreich, 25 Jahre später dienstverpflichtet als geschickter Schlosser für die 18.000 Arbeiter große Raketenfabrik in Peenemünde auf der Insel Usedom, in der die ultimative Wunderwaffe für Adolf Hitlers „Endsieg“ gebaut werden sollte. Dort sah er ausgemergelte KZ-Häftlinge zu Hunderten sterben, brachte von seiner Gattin gebackene Hefekuchen trotz Lebensgefahr an Wochenenden für die Häftlinge mit, überlebte einen Luftangriff der Briten und floh nach einem Zugunglück zu Fuß nach Goch, wo er den Bombenangriff des 7. Februar 1945 mit der Familie im eigenen Haus an der Voßstraße mit heiler Haut überstand.

Robert Peters wurde dabei zu einem winzigen Rädchen der Weltgeschichte, denn als er ein Vierteljahrhundert später die Mondlandung der Amerikaner stundenlang vor dem Fernseher verfolgte, da sah er Hitlers Raketenbauer Wernher von Braun wieder. Der war für die Amerikaner NASA-Chef und leitete die Mond-Mission. „Wenn ich ihn sah in seinem weißen Hemd mit dem schwarzen Schlips, sah ich auch immer die schwarze SS-Uniform, von der er immer behauptete, sie nie getragen zu haben“.

Lokalkolorit bricht sich dezent immer wieder Bahn, mal Familiengeschichte, immer Gocher Heimatgeschichte. So wenn der Schmied aus jungen Jahren erzählt von der Fassnacht Anfang des 20. Jahrhunderts, die in Goch Tage der Rosen hieß und im Saal gefeiert wurde. Oder wenn er über seinen Bruder Fritz Peters erzählt, der 1912 zu den Gründern des SV Viktoria Goch gehörte und der 1921 als Torwart der Schwarz-Roten mit einem Sieg über Rheydt in Kaldenkirchen zur Nummer 1 am Niederrhein aufstieg, begleitet von Hunderten Gochern, die auf Lastwagen mitfuhren. Von ihm hat der Autor womöglich das (Familien-)Talent, denn fünf Jahrzehnte später spielte auch er bei der Viktoria, schrieb später bei der Grenzland Post über den damaligen Oberligisten – und ist als Fußballexperte auch in Zukunft bei der RP zu lesen.

Was auch nicht viele wissen: Der Name Peters ist eng verbunden mit der Geschichte des Goli-Theaters auf der Brückenstraße. Denn die Tochter des Protagonisten und Tante des Autors mit Namen Irmgard Peters heiratete nach dem Zweiten Weltkrieg Karl Skötsch, den Sohn des Kinogründers Otto Skötsch, der seit 1911 in der alten Weberstadt Filme vorführte und 1913 die „Gocher Lichtspiele“ eröffnete. Zwar wurde das Gebäude an der heutigen Brückenstraße von den Bomben des 7. Februar 1945 zerstört, aber schon 1947 nahmen Vater und Sohn Skötsch den Kinobetrieb in einem Nottheater an der Pfalzdorfer Straße wieder auf. Das heute bekannte und immer noch von einem rührigen Verein betriebene Goli-Theater wurde nach dem Baubeginn im August 1953 dann am 15. Januar 1954 eröffnet. 450 Menschen fanden Platz, auch Robert Peters schwärmt von den Vorführungen. Seine beiden ältesten Enkel stammen aus dieser Ehe, sein Sohn Robert sorgte mit drei Söhnen für den restlichen Familienzuwachs.

Er war nicht nur ein Schmied.

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