Goch Rock oder Klassik – Hauptsache Musik

GOCH · Die erste Woche der Osterferien ist wieder „Stringtime“ im Gocher Kastell – talentierte Nachwuchsmusiker erarbeiten ein großes Konzertprogramm. Zeitgleich nehmen nebenan Kinder an einem Rock-Workshop teil.

 E-Gitarren, Schlagzeug und Stimmen: Diese Jungen und Mädchen sind begeistert von Musik, haben aber weniger Interesse an der Klassik. Sie nehmen an einem Rock-Workshop teil.

E-Gitarren, Schlagzeug und Stimmen: Diese Jungen und Mädchen sind begeistert von Musik, haben aber weniger Interesse an der Klassik. Sie nehmen an einem Rock-Workshop teil.

Foto: Anja Settnik

„Sind wir hier richtig?“ Leicht besorgt fragten sich dies am Montagmorgen Eltern und wohl auch einige Kinder, die zum Rockmusik-Workshop erschienen waren, aber zarten Geigenklang hinter der Tür vernahmen. Julian und Hilmar von der Rockschule Launert konnten sie beruhigen: Na klar, völlig richtig. Im übertragenen Sinne deshalb, weil Musik ein weites Feld ist. Weil Unterhaltungs- und ernste Musik, wie man früher unterschied, zwei Seiten einer Medaille sind. Beide haben ihre Berechtigung und sollten nicht gegeneinander aufgewogen werden, findet Stephan Mann, Leiter der Gocher Kulturbühne. Deshalb findet diesmal die Akademie „Stringtime“ zeitgleich mit dem Rock-Workshop statt. Nicht verquirlt oder „crossover“, aber doch in Rufnähe. Und die teilnehmenden Jugendlichen werden sich zwischendurch begegnen.

Die Stringtime, die in diesen Tagen zum 25. Mal begabte junge Streicher aus Polen, den Niederlanden und Deutschland zusammenbringt, damit sie mit Hilfe namhafter Dozenten noch besser werden und beeindruckende Konzerte geben können, hat international einen guten Ruf. In immer mehr Musiker-Biografien taucht die Gocher Akademie auf. „Leider wird aber klassische Musik von der Mehrheit der Bürger noch immer als elitär wahrgenommen. Vielen Menschen fehlt dazu der Zugang. Und wo Eltern nicht für Klavier- oder Geigenunterricht sorgen, entgeht den Kindern ein Teil unserer Kultur“, findet Stefan Mann. Dabei gehe es nicht darum, unbedingt konzertantes Niveau zu erreichen, sondern darum, Kindern etwas mit auf den Weg zu geben, das sie später abrufen können. Nicht wenige der polnischen Kinder, die oft Musikgymnasien besuchen, peilen an, Berufsmusiker zu werden, andere ahnen, dass es dafür vielleicht nicht reichen wird. Kein Grund, aufzugeben.

„Für viele Menschen ist der Zugang zu Pop- und Rockmusik offenbar einfacher. Wir wollen nun beide Bereiche zusammenbringen. Beim gemeinsamen Mittagessen werden die Kinder Kontakt zur jeweils ,anderen‘ Gruppe haben und feststellen, dass sie nicht so unterschiedlich sind“, glaubt der Kultur-Chef. Zumal auch die „Rocker“ ein Ziel haben: Ebenso wie die Streicher werden sie ihre Aufführung haben: am Samstagabend auf der Kastell-Bühne. Das Herzklopfen wird ähnlich sein, der Applaus gleichermaßen gut tun. Alle werden in dieser Woche etwas gelernt haben, stolz sein und sich gerne an die Probephase erinnern. Und vielleicht locken die Sänger, Gitarristen, Trommler ihre Eltern ja sogar mal in ein Konzert der „anderen“ Musiker, die die bei Pizza und Pudding kennengelernt haben.

Für die Jungen und Mädchen, die sich zum Rock-Workshop angemeldet hatten, begann die Woche mit einem Spaziergang durch die Stadt. Denn bei so viel Musik reicht das Kastell mit seinen Räumen längst nicht aus. Die Gruppe mit ihren erwachsenen Chefs wanderte erst einmal durch die Stadt bis zur St. Georgschule, wo zwei Räume für sie reserviert waren. Leise durch den Altbau, wo zum Beispiel in der „Bärenklasse“ gerade Klavierunterricht mit Prof. Makowska aus Warschau stattfand, bis in den Klassenraum, der für die „andere“ Musik reserviert war. Ben, Niek, Elisabeth, Melissa und die anderen Kinder schleppten Gitarren, Cajons, Schlagzeug und Verstärker mit sich. Und – da staunte mancher – aus Julians Auto tauchten sogar iPads auf. „Wer von euch nämlich kein Instrument spielt, kann trotzdem Musik machen. Da gibt es tolle Programme, die euch dabei helfen“, versprachen die Dozenten. Und wie ist das mit dem Singen? Wer traut sich? Zunächst keiner, aber als die beiden ersten Mädchen sich einen Ruck geben, zeigen immer mehr Finger Richtung Decke. Sie werden üben, sich anstrengen, verbessern lassen, alles raus lassen, das steht fest. Und dann geht’s auf die Bühne.

 Prof. Gotthard Popp ist nicht nur Dirigent dieses Orchesters, sondern auch künstlerischer Leiter der gesamten Gocher Stringtime.

Prof. Gotthard Popp ist nicht nur Dirigent dieses Orchesters, sondern auch künstlerischer Leiter der gesamten Gocher Stringtime.

Foto: Anja Settnik

Alle Kinder, die Fast-Profis ebenso wie diejenigen, die einfach nur Lust auf Musik haben, verbringen einen Teil ihrer Ferien in Klassenzimmern. Sie hören Lehrenden zu, werden zum Team, geben sich Mühe, verfolgen ein gemeinsames Ziel. Manche werden in 14 Tagen wieder lieber Fußball spielen, andere melden sich zu Wettbewerben à la „Jugend musiziert“ an. Aber alle werden ihre Ferien als gute Zeit verbuchen. Und wahrscheinlich auch wiederkommen.

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