Goch Rätsel um Schuldfähigkeit des Angeklagten

Goch · Bei der Verhandlung gegen einen 25-jährigen Albaner wegen eines in Goch versuchten Totschlags ging es gestern um das psychiatrische Gutachten. Wirklich weiterhelfen konnte der Experte dem Gericht jedoch nicht.

 Vor dem Landgericht Kleve muss sich der 25-Jährige verantworten. Ihm wird vorgeworfen, im Juni 2016 einen Albaner auf der Gartenstraße niedergestochen zu haben. Auch einen Helfer soll der Mann verletzt haben.

Vor dem Landgericht Kleve muss sich der 25-Jährige verantworten. Ihm wird vorgeworfen, im Juni 2016 einen Albaner auf der Gartenstraße niedergestochen zu haben. Auch einen Helfer soll der Mann verletzt haben.

Foto: GOTTFRIED EVERS

Jack Kreutz, Leiter der forensischen Psychiatrie in der LVR-Klinik Bedburg-Hau, hat viele Jahre Erfahrung im Erstellen von psychiatrischen Gutachten für Justizinstanzen. Vor dem Klever Landgericht konnte aber selbst er der Hilfsstrafkammer gestern keine zufriedenstellende Empfehlung geben. "Ich kann nur verschiedene Hypothesen aufstellen", sagte er. Das, was er wusste, war schlicht zu wenig und zu abstrakt, um die Schuldfähigkeit eines 25-jährigen Albaners, der derzeit wegen versuchten Totschlags in der Schwanenburg vor Gericht steht, mit wirklicher Sicherheit einschätzen zu können.

Er wird beschuldigt, am 21. Juni 2016 einen Landsmann auf der Gocher Gartenstraße mit einem Messer lebensgefährlich verletzt zu haben. Ein weiterer Mann, der dem mit ihm befreundeten Opfer zur Hilfe eilte, wurde bei dem Angriff ebenfalls durch die Tatwaffe verletzt. Der Angeklagte räumte das ihm vorgeworfene Geschehen in einer Einlassung am ersten Prozesstag zwar ein, seine Schilderungen wichen von denen der Zeugen in Teilen allerdings ab (die RP berichtete). Der mittlerweile nach Albanien abgeschobene Geschädigte erschien nicht vor Gericht.

Laut dem Beschuldigten soll der Tat ein Vorfall an einer Shisha-Bar vorangegangen sein. Im April 2016 habe er sich dort mit seiner heutigen Ex-Freundin treffen wollen. Eine Gruppe junger Männer habe ihn jedoch angegriffen und schwer verletzt. Bei dem Geschehen im Juni, wo es ebenfalls um seine Ex-Freundin gegangen sein soll und er erneut auf zwei Männer traf, sei diese Tat im Verlauf des Treffens wieder hochgekommen, sagte der Angeklagte.

Jack Kreutz konnte nicht ausschließen, dass der 25-Jährige durch diesen Vorfall im Frühjahr vergangenen Jahres tatsächlich eine "posttraumatische Belastungsstörung mit einer Anpassungsstörung" erlitten habe. Erschwerend sei zum Tatzeitpunkt im Juni dann noch hinzugekommen, dass der Beschuldigte alkoholisiert war und zudem noch Marihuana konsumiert habe. "Diese beiden Substanzen potenzieren sich gegenseitig", machte Kreutz deutlich.

Trotzdem konnte er nicht sicher feststellen, ob diese Umstände auch dazu geführt hatten, dass der 25-Jährige während der Tat in einem Zustand der verminderten Schuldfähigkeit nach §21 des Strafgesetzesbuches gehandelt habe. In diesem Fall müsste die Strafe, die den Angeklagten erwartet, gemildert werden. "Sie können den §21 aber weder ausschließen noch bestätigen, oder?", fragte Richter Martin Laux ein wenig ratlos nach. Kreutz bejahte.

Für den psychiatrischen Gutachter sprach die Kombination aus posttraumatischer Belastungsstörung, Alkohol- und Drogenkonsum sowie der Eifersucht, die bei der Tat aufgrund des möglicherweise mehr als freundschaftlichen Verhältnisses zwischen seiner heutigen Ex-Freundin und dem Opfer herrschte, durchaus für einen Zustand der verminderten Schuldfähigkeit. Das Verhalten vor und nach der Tat spreche allerdings eher dagegen, weshalb Kreutz am Wahrscheinlichsten hielt, dass die Steuerungsfähigkeit (und die damit verbundene verminderte Schuldfähigkeit) vielleicht ein wenig, aber nicht vollständig aufgehoben gewesen sei.

Das Klever Landgericht wird darüber endgültig erst am Montag, 6. März, entscheiden. Dann werden jedenfalls die Plädoyers und das Urteil erwartet.

(pets)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort