Goch Pro und Contra: Theater ums Goli

Braucht Goch ein Kino, kann es sich überhaupt eins leisten – oder nicht? Nach dem Weggang des bisherigen Betreibers ist die Zukunft des Lichtspielhauses völlig ungewiss. Ein erstes Fazit, zwei Positionen.

Braucht Goch ein Kino, kann es sich überhaupt eins leisten — oder nicht? Nach dem Weggang des bisherigen Betreibers ist die Zukunft des Lichtspielhauses völlig ungewiss. Ein erstes Fazit, zwei Positionen.

Pro - Von Michael Baers

Ausgerechnet im Jubiläumsjahr hat sich Pächter Peter Pickl aus dem Staub gemacht, und nicht wenige stellen besorgt die Frage: "Was wird nun aus dem Goli?" Was folgt, ist meist ratloses Schulterzucken. Doch das Schicksal des ältesten Lichtspielhauses weit und breit bewegt die Gocher. Goli ist Gesprächsthema. Vielmehr noch, es ist ein Teil der Stadt.

Doch wie passt das zusammen? Jeder will es, aber keiner geht hin. Bei der Suche nach dem Ausbleiben der Kinobesucher wäre es auf den ersten Blick zu einfach, alles am einstigen Pächter festzumachen. Dennoch ist es unvermeidlich. Denn gerade in solch einem Kino wie dem Goli ist der Betreiber zugleich auch Aushängeschild. Und zu oft haben sich nicht nur Besucher von der gewöhnungsbedürftigen Art des Franken, die von ungefiltert direkt bis unverhohlen drohend reichte, vor den Kopf gestoßen gefühlt. Hausverbote wurden erteilt, Eltern, die ihre Kinder samt Popcorn ins Kino setzten, zu Beginn der Vorstellung unsanft darauf hingewiesen, dass am Ende des Films von den jungen Zuschauern gefegt werden müsse, wenn sie etwas von dem kulinarischen Kinoklassiker verschütten sollten.

Damit die Kasse stimmt, muss ein Traditionskino mit dem punkten, was Pickl fehlte: Charme. Hier geht es nicht um 3D hier, Dolby Digital da. Ein Blick in die Nachbarschaft reicht, um herauszufinden, welchen Schatz Goch da im Herzen trägt. Viele Klever bekommen einen verklärt schwärmerischen Blick, wenn sie heute den Namen "Burgtheater" hören. 2002 wurde es abgerissen, wich der Filiale einer Textilhandelskette (!). Ein Kino, in dem es noch den Mann mit dem Bauchladen gab, der nach der (Eis-)Werbung zufällig Eis verteilte. In dem zahlreiche Generationen die James Bond-Darsteller kommen und gehen sahen.

Dabei ist der britische Agent ein gutes Stichwort. Technisch hochgerüstetes Kino ist wie der moderne Bond: Beide sind gut, zweifelsohne, doch fehlt ihnen das Zeitlose, der Glamour, eben jenes Charisma, mit dem die Welt gerettet oder ein besonderer Film gezeigt werden will.

Hatte die Bürgerbefragung zur Kaserne nicht jüngst noch ergeben, dass die Gocher "Möglichkeiten zur generationsübergreifenden Kom-munikation" wollen? Was wäre dazu besser geeignet als ein gemeinsamer Kinobesuch mit anschließender Debatte auf der Bühne? Auch für Lesungen eignet sich der Raum bestens. Kooperationen mit der KulTOURbühne oder mit Goch.TV. Ideen existieren viele und wenn es eine Stadt gibt, die solch einen Schatz bewahren und für künftige Generationen erhalten kann, dann doch wohl dieses "miteinander ins Goli geh'"-Goch. Genau jetzt müssen die Gocher sich zum Goli bekennen, um ein Stück Stadtgeschichte und -kultur zu retten.

Contra - Von Thomas Claassen

Mag sein, Peter Pickl hat mit seiner — nennen wir sie mal knorrigen — Art Sympathien verscherzt, hat sich Kanäle zugeschüttet. Eines kann man nicht sagen: Er hat nicht für ein funktionierendes Kino gekämpft. Geld verdient hat er keines. Und das lag nicht an Pickl, das lag daran, dass das Goli eben nicht nur "schön alt", sondern auch "fatal alt" ist. Wo funktioniert, als Wirtschaftsunternehmen zumal, andernorts in der Republik noch ein Kino, das gebaut wurde, wie man nach dem Zweiten Weltkrieg eben Kinos baute? Mit nur einem einzigen Saal, einer einzigen Leinwand? Pickl (und auch jeder andere) konnte immer nur einen Film zeigen. "Die Päpstin", die hatte er zu Anfang gleich mit dem Bundesstart. Der Kassenfüller lief so leidlich. Mein Besuch einer Abendvorstellung unter der Woche — es waren rund 20 Leute da — machte mir deutlich: Publikum, das die technisch aufwändigen aktuellen Kinohits sehen will, geht nicht in ein noch so schön altmodisches Kino wie das Goli, das bevorzugt dicke Sessel und das Drumherum wie im Tichelpark in Kleve. Das will moderne Technik, Dolby und 3D mit allem Drum und Dran. Dem reicht es nicht, den Film zu gucken — und außer einer Tüte Popcorn sonst nichts zu haben.

Und: Der erste Betreiber versuchte es mit aktuellen Kinohits ebenso wie mit Ansätzen von Programmkono, Publikum ins Haus zu holen. Das alles misslang. Es zeigte sich: "Die Gocher" an sich gehen vielleicht mal gerne ins Kino — das Goli ist es in der gesamten Zeit seit der Eröffnung aber nicht so recht geworden. Und von den Gochern allein, selbst, wenn sie sich für dieses Haus erwärmt hätten, kann ein Kinobetreiber auch noch nicht existieren. Da müssten Menschen aus den Städten und Gemeinden der Nachbarschaft dazu kommen, nicht einmal oder einmal im Jahr, sondern regelmäßig. Das gelang aber dem Goli rein gar nicht.

Ein großes Spezialunternehmen, das die moderne Digitaltechnik "auf Pump" geliefert hätte, nahm von diesem Geschäft dann doch Abstand Das spricht für sich: Wiedergeholt hätte die Firma sich ihr Geld nämlich aus den Einspiel-Ergebnissen. Aber die Fachleute just dieser Firma rieten ab, machten deutlich: So viele Besucher, wie das Goli braucht, um wirtschaftlich eigenständig zu sein. wird es nie haben.

Es war letztlich eine Abstimmung mit den Füßen. Ja, wir finden das toll, dass es ein Kino gibt, nein, wir gehen aber trotzdem nicht hin, da sitzen wir lieber vor dem Fernseher, im Tichelpark oder in einem Riesen-Kino naher großer Städte wie Krefeld. Als Unternehmen, auch als Filiale eines großen Hauses, hat das Goli keine Zukunft. Da müsste man schließlich Geld mitbringen, dauuerhaft. Davon leben? Is nich.

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