Prozess Plädoyers beim „Puzzle mit 1000 Teilen“

GOCH/KLEVE · Die Staatsanwaltschaft sieht ihre Anklagevorwürfe gegen zwei Gelderner Schlüsseldienst-Unternehmer in der Beweisaufnahme bestätigt. Sie beantragte acht Jahre Freiheitsstrafe für den 57-jährigen und vier Jahre für den 39-jährigen Angeklagten.

 Seit dem Prozessauftakt vor rund einem halben Jahr ist das Medieninteresse an dem Verfahren groß.

Seit dem Prozessauftakt vor rund einem halben Jahr ist das Medieninteresse an dem Verfahren groß.

Foto: Evers, Gottfried (eve)

Die Ermittlungen und den Strafprozess gegen die beiden Köpfe der ehemaligen Deutschen Schlüsseldienst-Zentrale (DSZ) aus Geldern verglich Staatsanwalt Hendrik Timmer am Freitag mit einem „Puzzle mit 1000 Teilen“. Mehrere Jahre haben die Ermittlungen gedauert, gut sechs Monate das Hauptverfahren – und dennoch habe man das Puzzle wohl erst zur Hälfte zusammengefügt.

In knapp drei Stunden Plädoyer präsentierten Timmer und Staatsanwältin Görtz am Freitag den zusammengefügten Teil des Puzzles. Die Anklagevorwürfe sehen sie durch die Beweisaufnahme wesentlich bestätigt und beantragten, die beiden Angeklagten wegen Betruges, Wuchers, Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt sowie Steuerhinterziehung zu verurteilen.

Acht Jahre Freiheitsstrafe forderte die Staatsanwaltschaft für den 57-jährigen Angeklagten, vier Jahre für den 39-jährigen Angeklagten. Letzterer sei zwar offiziell Inhaber der DSZ gewesen, tatsächlich habe jedoch der 57-Jährige, der bereits wegen ähnlicher Taten eine Haftstrafe verbüßte, die Zügel in der Hand gehalten. Er habe „den Ausbau der DSZ maßgeblich gefördert und vorangetrieben“, ein eigenes Büro in der Gelderner Zentrale gehabt, während der Mitangeklagte sich die Räumlichkeiten mit den Callcenter-Mitarbeitern teilte – nicht zuletzt seien „immense Summen“ aus dem Vermögen des offiziellen Inhabers und Geschäftsführers auf verschiedenen Wegen in das Vermögen des 57-Jährigen übergegangen. Zahlreiche Zeugen hätten bestätigt, dass der ältere der beiden Angeklagten „das Sagen“ hatte. Von der Zentrale aus hätten die DSZ-Verantwortlichen über fast zehn Jahre ein bundesweites Netz von Monteuren aufgebaut und gesteuert, so die Staatsanwaltschaft. Über Branchenbücher- und Internet-Anzeigen mit falschen Namen, Adressen sowie örtlichen Vorwahlen sei den Kunden Ortsansässigkeit vorgegaukelt worden - dabei seien alle Anrufer in der Zentrale gelandet, die dann einen ihrer Monteure schickte. „Da gab es zum Teil ganze Seiten in Branchenbüchern mit verschiedensten Einträgen, die aber alle nach Geldern führten“, so Timmer.

Von den Kunden hätten die Monteure dann Preise verlangt, die weit über dem Durchschnitt liegen. Dem Kunden seien vorab nur selten Preise genannt worden – wenn ja, dann nur Nettobeträge. „Viele Kunden gingen davon aus, dass die Türöffnung circa 200 Euro kosten würde. Bereits diese Summe übertrifft deutlich den üblichen Preis“, so Timmer. Durch Zuschläge und Materialkosten sei der Preis dann meist noch deutlich in die Höhe gegangen – bis in den vierstelligen Bereich.

Indem die DSZ die Monteure nicht selbst einstellte, sondern zur Selbstständigkeit aufforderte, seien zudem widerrechtlich Umsatzsteuern und Lohnabgaben eingespart worden. Auch wenn die Dunkelziffer wohl höher sei: Bei 55 Monteuren habe im Rahmen der Beweisaufnahme festgestellt werden können, dass diese faktisch als Arbeitnehmer einzustufen waren – etwa weil sie für kein anderes Unternehmen arbeiteten, klare Anweisungen aus Geldern erhielten, Arbeitskleidung bekamen und durch die Dokumentation des monatlichen Auftragsvolumens systematisch unter Druck gesetzt worden seien, so die Staatsanwälte.

Am kommenden Dienstag sollen die Plädoyers der Verteidiger folgen: Beginn des Verhandlungstages ist ab 9.30 Uhr in Saal A105 des Klever Landgerichts.

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