Goch Pfingsten: Zeitreise in der Viller Mühle

Goch · Der "wahnsinnige Puppenspieler" Heinz Bömler öffnet an Pfingsten wieder die Viller Mühle. Er möchte alte Erinnerungen wecken und denkt längst nicht ans Aufhören. Der 76-Jährige will im Geschäft bleiben - "bis 2048".

 Kinderspielzeug aus längst vergangenen Zeiten und vieles, vieles mehr gibt es am Sonntag und Montag in der Viller Mühle zu bestaunen.

Kinderspielzeug aus längst vergangenen Zeiten und vieles, vieles mehr gibt es am Sonntag und Montag in der Viller Mühle zu bestaunen.

Foto: EVERS

Neulich, da lief eine alte Dame unter einem rot leuchtenden Schriftzug in der Viller Mühle hindurch. "Burgtheater" stand dort in Neonbuchstaben. Der Name des alten Klever Kinos. Die Frau, erzählt Puppenspieler Heinz Bömler, hatte Tränen in den Augen. "Sie sagte: 'Da habe ich meinen ersten Kuss bekommen.'"

Alte Erinnerungen wecken - darum geht es Bömler. Seine Viller Mühle ist ein nostalgischer Ort. Es gibt kaum jemanden in der Region, der den "wahnsinnigen Puppenspieler" und seine zeitgeschichtliche Sammlung nicht kennt. An Pfingstsonntag und -montag veranstaltet er auch in diesem Jahr den Tag der offenen Tür. Wer etwas Altes mitbringt (als "alt" gilt alles, das vor 1960 hergestellt wurde), spart sich den Eintritt von fünf Euro. Ein altes Gläschen Babynahrung von Alete, schlägt Bömler vor. Zum Beispiel Milchbrei aus dem Jahr 1958. Die Sammlung muss schließlich wachsen.

Antiquitäten haben den Nachteil, dass es sie nicht neu zu kaufen gibt. "Das alte Zeug wächst nicht nach", sagt Bömler. Vielleicht erfreut es sich gerade deshalb so großer Beliebtheit.

Im Fernsehen wird gerade in letzter Zeit viel getrödelt: Bares für Rares, Trödeltrupp, Trödelboom und Schnäppchenjagd - Leute schauen anderen Leuten gerne dabei zu, wie sie mit alten Dingen handeln. Oder sie besorgen sich selbst welche, auf entsprechenden Märkten, die aber, wie Bömler sagt, immer mehr neues Zeug anbieten. Deshalb sorgt er vor und sammelt selbst: "Der Müll von heute ist die Antiquität von morgen."

63 alte Läden gibt es in der Viller Mühle zu sehen, dazu hunderttausende alte Gegenstände. Sie tauchen in Filmen wie "Das Wunder von Bern" oder "Der Vorleser" auf, reisen für Dreharbeiten bis nach New York. Wie viele Gegenstände er genau besitzt, kann Bömler nicht mehr nachvollziehen. Dafür weiß er, welcher sein liebster ist. Ganz unnostalgisch und pragmatisch: "Der 500 Euro Schein."

Eine Antwort, die ausgesprochen angemessen ist für einen Mann, der seine Firma "Lug & Betrug" nennt. Wenn es nach ihm geht, sollte jeder seine eigene Betrugsfirma eröffnen - auch seine Besucher dürfen es mit der Betrügerei probieren. "Ich muss ja nicht drauf reinfallen", sagt Bömler.

An Pfingsten können Gäste die Mühle zwischen 11 und 18 Uhr besuchen. Es gibt regelmäßige Führungen, aufgebaut ist zum Beispiel ein alter Jahrmarkt. Bömlers Motto dabei: "Die Nichtigkeit der Wichtigkeit". Er erzählt von Managerveranstaltungen; Dingen, die unwichtig sind und solchen, die wichtiger genommen werden sollten. "Das Einzige, was zählt, ist ein gutes Gefühl und Gesundheit." Der Plan des 76-Jährigen für die Zukunft: Er macht weiter - "bis 2048."

Bömler wird wohl weiterhin alte Erinnerungen wecken. Vielleicht stößt seine Suche ihn auch wieder auf seine eigene Vergangenheit zurück. Früher, in einem Leben vor der Viller Mühle, stellte Bömler einmal Farbbänder für Schreibmaschinen her. "In Zeiten von Computern sind die natürlich tot", sagt er. Auf einem Flohmarkt in Aachen entdeckte Bömler dann aber plötzlich ein Farbband aus eigener Produktion, Jahrgang 1972. "Da hatte ich Gänsehaut." Was für die Trödler vielleicht Müll war, kehrte als Antiquität in seinen Besitz zurück.

(RP)
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