Schienenersatzverkehr Bahnagentur verkauft jetzt auch Bustickets

goch · Ab Montag, 16. August, wird zwischen Kleve und Geldern wegen der Arbeiten an der Strecke kein Zug unterwegs sein. Stattdessen fahren Busse. Der Agenturbetreiber von Goch leidet mit seinen Kunden schon lange an den vielen Ausfällen und Verspätungen.

 Günther Thomas am Bahngleis in Goch. Er hofft, dass seine Kunden den Ersatzverkehr akzeptieren und nicht abspringen.

Günther Thomas am Bahngleis in Goch. Er hofft, dass seine Kunden den Ersatzverkehr akzeptieren und nicht abspringen.

Foto: Aja Settnik/Anja Settnik

Alle paar Tage ist er kurz davor, die Brocken hin zu werfen. Weil die Situation seit Jahren unbefriedigend ist, weil manche Kunden unfreundlich sind, weil er ja eigentlich längst seine Rente genießen könnte. Aber Günther Thomas ist Bahn-Fan mit Leib und Seele und hatte 2018 die Fahrkartenagentur im Bahnhof Goch übernommen, als sein Vorgänger aufhörte und Thomas keine Lust hatte, den ganzen Tag nur zu Hause zu sitzen. So wurde aus einem Aushilfsjob eine selbstständige Tätigkeit, die ihn seitdem ganztags beschäftigt. Und weil es ja immer wieder Kunden gibt, die sehr dankbar für seinen Service sind, macht er trotz aller Widrigkeiten weiter. Und legt sich schon mal gerne mit der DB an, bei der er früher in Diensten stand.

Gerade erst hat er einen Brief losgeschickt, in dem er auf die massenhaften Zugausfälle und Verspätungen des RE Kleve-Düsseldorf hinweist, auf Zugänderungen und Baumaßnahmen, die er den Kunden erklären muss. Auch in Form von Auskunftspapieren, die der Agenturbetreiber auf eigene Kosten druckt. Die Provision sei gering, zumal sich Fernreisende ja meist um Spartickets bemühen, wenn sie nicht ohnehin online buchen. Und dann noch Corona mit der Folge, dass der Großteil der Kunden aufs Bahnfahren verzichtete. Der Beginn der Streckenmodernisierung sei nun der nächste „Nackenschlag“, wenn er auch wichtig sei.

Wie berichtet, wird ab dem 16. August bis zum 3. Dezember die Strecke Kleve-Geldern durch einen Schienenersatzverkehr betrieben, denn der Zugverkehr wird wegen der Digitalisierung der Strecke  komplett eingestellt. Nicht, dass „Bus statt Zug“ auf der Linie des Niersexpress etwas Neues wäre: „Ich habe eine Liste gemacht, die den Ersatzverkehr seit Herbst 2017 addiert. Danach haben wir seit damals an 448 Tagen Schienenersatzverkehr gehabt. Kein Wunder, wenn die Bahnkunden weg bleiben.“

Günther Thomas ist ein eher ruhiger und sehr freundlicher Mensch. Aber wenn er über die Umstände spricht, mit denen er es in Sachen Niersexpress zu tun hat, muss er an sich halten. Nicht nur die Kunden leiden, auch das Personal hat wenig Spaß an der Situation. Das Schlimmste: „Ich glaube nicht, dass es hier merklich besser wird, so lange die Strecke eingleisig bleibt. Das funktioniert einfach nicht: Wenn einem Rollstuhlfahrer geholfen werden muss oder eine Gruppe Radtouristen einsteigt, dann gehen Minuten verloren, die sofort zu Verspätungen und dazu führen, dass an der nächsten Kreuzung der Gegenzug durch gelassen werden muss. Allein mit digitaler Stellwerktechnik ist das Problem nicht zu beheben.“

Wer in den kommenden Monaten mit dem Bus bis Geldern fährt, um dort in den Zug umzusteigen, der ihn Richtung Düsseldorf bringt, wird Zeit mitbringen müssen. Es gibt Busse, die an jedem Bahnhof halten und Schnellbusse, die zwischen Kleve und Geldern nur Goch anfahren. Günther Thomas hat die Fahrpläne dazu abholbereit an seinem Schalter liegen. Die Tickets gibt’s für den Bus  während des Ersatzverkehrs genauso bei ihm wie die Fahrkarten für den Zug – es sind dieselben VRR-Tickets, ebenso gelten natürlich Zeitfahrkarten und was es da sonst noch gibt.

„Und wenn es jetzt schon schwierig wird, dürfte der zweite Bauabschnitt noch unbequemer werden“, kündigt Thomas an. Dann fahre auf dem sanierten Streckenabschnitt der Zug nämlich bis Geldern, dort müssen die Fahrgäste raus, um die Kilometer bis Kempen per Bus zu bewältigen, und von dort gehe es dann wieder weiter mit dem Zug. Immerhin ist das Ende der Aktion abzusehen: „Im Herbst 2022 soll die Sanierung abgeschlossen sein. Hoffentlich verlieren wir bis dahin nicht zu viele Kunden dauerhaft.“

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