Corona-Auswirkungen Kommunikation hinter der Maske
Goch · Die Gocherin Heike Hemmers ist gehörlos und macht in diesen Tagen häufig die Erfahrung, dass die Verständigung mit Atemschutzmaske stark erschwert ist. Dabei ist Kommunikation so wichtig.
„Ich kann nicht hören, bitte nehmen Sie die Maske ab!“ Es sind nur drei Zeichen, die auch ein hörender Mensch, wenn er genau aufpasst, verstehen kann. Heike Hemmers ist gehörlos und hat nun, da immer mehr Menschen eine Atemschutzmaske tragen, Schwierigkeiten bei der Kommunikation. „Etwa 30 Prozent können wir Gehörlose von den Lippen ablesen“, erklärt die Gocherin. Wenn ihr Gegenüber allerdings eine Maske trage, sei dies unmöglich. Da nur sehr wenige Hörende die Gebärdensprache beherrschen, mache sie derzeit auch schlechte Erfahrungen.
Sie berichtet, übersetzt von der Klever Gebärdensprachdolmetscherin Jana Utz, wie sie in einem Gocher Geschäft eine Verkäuferin, die eine Maske trug, nicht verstand, als diese auf sie einredete. Hemmers versuchte, durch Gesten zu erklären, dass sie gehörlos sei, was die Verkäuferin nicht verstand. Schließlich wurde offensichtlich, dass sie aufgefordert wurde, einen Einkaufskorb zu nehmen. „Das tat ich dann. Aber an der Kasse ging das Kommunikationsproblem von vorne los. Die Verkäuferin redete immer lauter und ärgerlicher. Ich zeigte ihr sogar mein Hörgerät, aber sie verstand es nicht. Sie diffamierte mich mit Gesten, als sei ich geistig behindert“, schildert Heike Hemmers den Vorfall. In einer solchen Situation gebe es nur die Möglichkeit, in gebührendem Sicherheitsabstand kurz die Maske abzunehmen, damit der Gehörlose verstehen kann.
Auch die Dolmetscherin erläutert, dass es kaum eine andere Lösung für das Problem gibt. „Masken mit einem Sichtfeld sind wenig praktikabel“, sagt sie. Heike Hemmers ist nun besorgt, dass sich Vorfälle wie die beschriebenen häufen werden. „Es gibt im Kreis Kleve 80 Hörgeschädigte, diese Gruppe wird nun enorme Probleme bekommen“, betont sie. Beide Frauen sehen eine Lösung darin, dass jeder, der eine Maske trägt, bei jeglicher Kommunikation mit Fremden genauer hinschauen sollte. Selbst für Hörende sei die Maskenpflicht eine große Umstellung, denn mit der Maske ist mehr als die Hälfte des Gesichts verdeckt. „Wir kommunizieren ja auch über die Mimik“, so Utz.
Heike Hemmers hat für den Notfall stets Papier und Schreibstift dabei. „Das mache ich auch bei Arztbesuchen oder bei der Bank“, berichtet sie. Für längere Gespräche mit einem Arzt oder zum Beispiel mit einem Bankberater hat sie einen Gebärdensprachdolmetscher dabei, den sie in diesen Fällen selbst bezahlen muss. Bei Behördengängen oder vor Gericht, so Hemmers, werde der Dolmetscher gestellt. Sowohl Hemmers als auch Utz wünschen sich in der Bevölkerung ein stärkeres Bewusstsein für Gehörlose. Schnell würden diese für weniger intelligent oder gar geistig behindert angesehen. Eine Brücke zu den Hörenden ist die Gebärdensprache. Heike Hemmers lernte sie erst im Alter von neun Jahren kennen.
„Als ich diese Möglichkeit hatte, fühlte ich mich leicht. Es war eine Befreiung.“ Vor ihrer Berufsausbildung gab sie VHS-Kurse in Gebärdensprache. Jetzt arbeitet sie als Betreuerin bei der Lebenshilfe und hat für die Kurse keine Zeit mehr. Zusammen mit ihrem Ehemann organisiert sie einen Stammtisch für Gebärdensprachler, es nehmen auch Hörende teil. Zu finden ist er auf Facebook oder Instagram unter „Kreisklevegebärdensprachstammtisch“.
Die moderne Gebärdensprache hat ihren Ursprung in Frankreich. Der Geistliche Abbé de l´Epée gründete 1755 die erste Schule für gehörlose Kinder. Die Deutsche Gebärdensprache (DGS) ist seit dem Behindertengleichstellungsgesetz 2002 rechtlich anerkannt und gilt als eigenständige Sprache. Sie hat eine eigene Grammatik.