Goch Kita-Streik: Das Verständnis schwindet

Goch · Schon vier Wochen sind die Erzieher an den städtischen Kitas im Ausstand. Berufstätige Eltern wissen sich so langsam nicht mehr zu helfen. Gerade allein Erziehende sind am Ende ihrer Kraft. Notgruppe ist nur Tropfen auf heißen Stein.

 Die Auszubildenden der Kitas sind derzeit die einzigen "Fachleute", die sich um die kleinen Kinder bemühen.

Die Auszubildenden der Kitas sind derzeit die einzigen "Fachleute", die sich um die kleinen Kinder bemühen.

Foto: Gottfried Evers

Lena weiß ganz genau, warum sie in diesen Tagen nicht ihren Kindergarten "Kleeblatt" in Reichswalde besucht, sondern die Notgruppe im "Morgenstern" Materborn. "Die Erzieherinnen streiken. Die wollen mehr Geld", erzählt die aufgeweckte Fünfjährige, die genau aufgepasst hat, als die Mutter ihr das Problem erläuterte. Nur gut, dass Freundin Demia auch dabei ist. "Aber andere Freunde dürfen nicht hierher kommen", bedauert Lena. Nur 25 von insgesamt 250 Mädchen und Jungen, die die städtischen Kitas besuchen, werden derzeit provisorisch betreut. In allen anderen Familien müssen Mütter oder Väter zusehen, ob ihr Arbeitgeber sie freistellt oder ob Oma, Opa, Tante, Freundin, Nachbarin sich der Kleinen annehmen. Wer kann, nimmt sich Arbeit mit nach Hause.

"Zuerst haben viele von uns Eltern ja noch Verständnis gehabt, aber diese Phase ist vorbei. Vier Wochen ,überbrücken' - das geht eigentlich gar nicht", sagt eine Mutter. Besonderes Mitgefühl hat sie mit allein Erziehenden, die keine Unterstützung in der Familie haben. Von gleich zweien weiß sie, die im Juni einen neuen Job angetreten haben. "Die können doch nicht gleich in den ersten Tagen zuhause bleiben!" Mehrere der Frauen sprechen mit der RP, wollen aber ihren Namen nicht sagen - sie fürchten, später schief von den Erzieherinnen angeguckt zu werden. Christina Piron, Lehrerin in Elternzeit, muss diese Sorge nicht haben und kann frei sprechen. "Besonders kränkt mich, dass wir Eltern so hingehalten werden. Es ist völlig undurchsichtig, nach welcher Logik die einen einen Platz in der Notgruppe bekommen und die anderen nicht." Für die Sichtweise der Gewerkschaft hat Piron inzwischen kein Verständnis mehr. "Die ist mir zu wenig kooperativ." Zumal doch wohl niemand glaube, dass es am Ende zehn Prozent mehr Gehalt gebe. Und für die paar Euro, die der Streik vielleicht bringe, haben Familien wochenlang leiden müssen. Michael Janssen, ein ebenfalls erzürnter Vater, akzeptiert auch das Argument "zu niedriges Gehalt" nicht. Seine Frau verdiene als Verkäuferin deutlich weniger. Und habe in den vergangenen Wochen umschichtig mit anderen Müttern auch noch unentgeltlich "Kindergärtnerin spielen" müssen.

Die jungen Leute, die in den vergangenen Wochen im "Morgenstern" auf die Kinder aufpassten, waren vorwiegend Praktikanten und Azubis (die noch nicht in der Gewerkschaft organisiert sind) und Mitarbeiter des Jugendamts. Sie wussten naturgemäß nur wenig über die Kleinen, kannten ihre Bedürfnisse nicht, hatten Mühe, Zugang zu ihnen zu finden. "Natürlich ist da kein Vertrauen, die Kinder sind es nicht gewohnt, mit ständig wechselnden Leuten umzugehen", ärgert sich Katrin Geißing. Die Arztsekretärin ist froh, im Klever Krankenhaus einen Arbeitgeber zu haben, der ihr ermöglicht, spontan Überstunden abzubauen. "Ins Großraumbüro könnte ich mein Kind nicht mitnehmen." Im Jugendamt habe man ihr die Telefonnummer einer Tagesmutter gegeben, die sie ansprechen könnte. "Die sollte ich aber selbst bezahlen." Und das, obwohl den Eltern die Kita-Gebühren für die nicht genutzten Dienste der vergangenen Wochen von der Stadt nicht erstattet werden. Es handele sich bei Elternbeiträgen schließlich nur um einen Kostenbeitrag, nicht um die Bezahlung einer konkreten Betreuungsleistung, argumentiert die Stadt.

Das Kindergartenjahr ist bald um. Eigentlich sollten die Vorschulkinder jetzt ihren Abschied vorbereiten, die Abschlussfahrt planen und durch entsprechende Übungen zeigen, dass sie schulreif sind. "Es macht mich wütend, dass sie all das verpassen", sagt Katrin Geißing.

(RP)
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