Goch Junge Kunst des Rheinlands für Goch

Goch · Hiltrud Neumann hat ihr Leben lang Kunst gesammelt. Über 3500 Objekte hat sie zusammengetragen und sie in diesem Jahr der Kunststiftung Goch übertragen. Die neue Ausstellung im Gocher Museum zeigt einen kleinen Teil.

 Hiltrud Neumann vor Fotokästen des Düsseldorfer Künstlers Micha Kubal

Hiltrud Neumann vor Fotokästen des Düsseldorfer Künstlers Micha Kubal

Foto: Gottfried Evers

Der Besuch bei der Dame, der die nächste Ausstellung in Goch gewidmet wird, hat Museumsleiter Dr. Stephan Mann augenscheinlich überfordert. Sein Bericht über die erste Begegnung mit Hiltrud Neumann in ihrer Privatwohnung ließ erkennen, dass die Eindrücke überwältigend waren. Man stelle sich vor: 3500 Kunstobjekte in einer einzigen großen Wohnung - da verliert selbst die Besitzerin irgendwann den Überblick. Deshalb dürfte es für beide "Parteien" ein Glück sein, dass die Zukunft der Sammlung in trockenen Tüchern ist.

Hiltrud Neumann schenkt der Gocher Kunststiftung das Ergebnis ihrer lebenslangen Sammelleidenschaft, wird aber den Großteil der Stücke erst einmal bei sich behalten. "Ein Prozent davon", so Dr. Mann, wird ab Sonntag in der Ausstellung "Leben mit Kunst" zu sehen sein. Um 11.30 Uhr wird die Ausstellung eröffnet. Zur Einführung spricht Dr. Franz-Josef Sladecjek aus Bern zum Thema "Der Sammler zwischen Lust und Last". Was er meint, wird Hiltrud Neumann nur zu gut wissen, und spätestens seit dem Besuch in ihrer Mönchengladbacher Wohnung können sich auch Dr. Mann und sein Kollege Steffen Fischer ein Bild davon machen. Gemälde, Zeichnungen, Grafik, Objekte überall, an Wänden, in Regalen, in der Küche, unter der Decke, im Badezimmer. Junge, zeitgenössische Kunst des Rheinlands hat die pensionierte Lehrerin und Kunsterzieherin gesammelt. Und zwar nicht der Wertanlage wegen, sondern weil sie die Kunst liebt und hier und da auch mal einfach einen jungen Kreativen unterstützen wollte. Dabei ist sie selbst durchaus "keine Industriellentochter", wie Fischer anerkennend erwähnte, sondern eine Frau, die schlicht ihr Gehalt nutzte, um davon Kunst zu kaufen.

"Hiltrud Neumanns Art der Kunstförderung ist etwas, das man früher ,Mäzenatentum' nannte. Das ist etwas anderes als Sponsoring. Der Mäzen agiert nicht aus Eigennutz, er will seine persönliche Habe der Öffentlichkeit zugänglich machen", erklärt Gochs Museumsleiter. Das hat die Mönchengladbacherin viele Jahre auch durch ihr "offenes Wohnzimmer" bewiesen: Junge Künstler trafen sich bei ihr, knüpften Kontakte, machten sich bekannt. Die Arbeiten einiger von ihnen werden jetzt auch in Goch gezeigt: großformative Fotos von Christel Kremser, Bilder des "Bananensprayers" Thomas Baumgärtel, ein Nashornkopf von Peter Nagel, Arbeiten von Shirley Wegner, Günter Zins, Clemens Weiss, Ottmar Hörl. In fortgeschrittenem Alter möchte Hiltrud Neumann etwas weniger Trubel, seltener große Gästescharen. Da sie schon lange regelmäßig nach Goch kommt, weil dort gerade junge Kunst gefördert wird, hat sie sich gerade dieses Haus für die Schenkung ausgesucht. "Mir gefällt, wie sich dieses kleine Team einsetzt, was sie auf die Beine stellen, wie sie Kinder ansprechen, sich zeitgemäßen Themen widmen."

Das hört Dr. Mann gern, zeigt aber auch Verständnis für Häuser, die sich gegenüber Sammlern zurückhaltender zeigen. "Eine Schenkung bedeutet auch viel Arbeit, man muss katalogisieren, deponieren, die Arbeiten schützen." Das Museum Abteiberg in Mönchengladbach dürfte ein wenig irritiert gewesen sein, als die Sammlung eben nicht ihm angeboten wurde.

Aber kleinlich zeigt sich dessen Leitung nicht, sondern bringt sich in das Begleitprogramm zur Ausstellung ein. Am 19. Januar ist am Abteiberg eine Praxistagung zum Thema "Die Kunst, Bürger in Sammler zu verwandeln". Weitere Tagungen in Goch und Düsseldorf greifen das Themenfeld auf - mit Unterstützung des NRW-Kulturministeriums. Jochen Rademacher, der die Kunststiftung vertritt, hat die Aufgabe, Geld und Werte zu verwahren und für das Museum nutzbar zu machen. Dass sich angesichts der Niedrigzinsphase keine nennenswerten Kapitalerträge ergeben, sei nicht schlimm, sagt Mann. "Wir müssen ja derzeit nichts kaufen."

(RP)
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