interview stefan verhasselt „Wir leben quasi im ,gelobten Land’“

Uedem · Der Träger des Möökeshüss-Ordens gastiert mit seinem Kabarett-Programm in der Schwanenstadt.

Der auch als Radiomoderator bekannte Kabarettist tritt am Freitag in Kleve auf.

Der auch als Radiomoderator bekannte Kabarettist tritt am Freitag in Kleve auf.

Foto: Agentur

Die Karnevalisten der Queekespiere aus dem Uedemer Ortsteil Keppeln haben Ihnen im November den „Orden van et Möökeshüss“ für besondere Verdienste um Mundart und Brauchtum verliehen - als Kabarettist stehen Sie ja nun in einer Linie mit dem früheren Preisträger Hanns-Dieter Hüsch. Welchen Beitrag liefert Kabarett zum Erhalt des Brauchtums? Nimmt es zum Beispiel die Besonderheiten der Menschen aufs Korn und tradiert sie so?


Stefan Verhasselt: Ja, das könnte man für diese Kabarettform, wie ich sie mache, bejahen. Allerdings braucht man dafür auch ein Publikum, das ähnlich großgeworden ist: mit konservativen Werten, Familiensinn, Verantwortungsgefühl füreinander. Und eben keine, die sich gerne auf Kosten anderer unterhalten können oder gar Randgruppen diskreditieren. Ein Teil meiner Kabarett-Geschichten, die in der Vergangenheit spielen, entstammen aus gewissen niederrheinischen Ritualen, die ja das Brauchtum erlebbar machen und – vor allem – einfach nicht ausgestorben sind. Sei es die klassische niederrheinische Beerdigung, die niederrheinischen „Fake News“ „anne Theke“, mit dem Satz: „Hasse schon jehört…“, oder das gemeinsame sonntägliche Mittagessen. Ich sag dann immer in meinem Programm: „Ja, es gab mal Zeiten, da gab es sonntags ein Mittagessen. Das müssen andere erstmal googeln“.

Ist „der Niederrheiner an sich“ ein dankbares Kabarett-Objekt - und wie reagiert er, wenn er den Spiegel vorgehalten bekommt?


Verhasselt Der Niederrheiner ist ein dankbares Objekt für Kabarettisten, wie aber eigentlich alle Menschen, deren unterhaltsame Eigenarten offenbar werden. Wenn ich zum Beispiel in Hamburg bin oder im Urlaub an der Nordsee, und am Nachbartisch eine skurrile Situation passiert, schreibe ich die Episode auf einen Zettel, um sie später kabarettistisch auszuschmücken. Der Niederrheiner kann ganz gut über sich selbst lachen. Und im Notfall sagt er nicht: „Genau wie bei uns“, sondern „Genau wie bei der Dingens in Ostwestfalen.“ Dann sind es eben die anderen.

Wie wichtig ist es in einer Welt, die dank Facebook, Ryanair etc. immer kleiner zu werden scheint, die tatsächliche „kleine Welt“ um sich herum, in der Nachbarschaft, im Ort, nicht aus den Augen zu verlieren? Hilft Brauchtum dabei?

Verhasselt Ich finde es wichtig und sehr angenehm, dass die Welt vor der eigenen Haustür hier am Niederrhein doch noch ziemlich in Ordnung ist. Da leben wir quasi im „gelobten Land“. Dat is in Straelen so, wo ich geboren bin, aber auch in Kempen und sicher auch in Keppeln, oder? Auch wenn ich Großstädte wie Berlin, Wien oder London sehr mag, könnten sie nicht dieses besondere Wohlgefühl bei mir auslösen, das zum Beispiel das berühmte Läuten der Glocken am heimischen Kirchturm, wie es einst schon Hanns-Dieter Hüsch sehr treffend beschrieb, oder das weihnachtliche Musizieren der Turmbläser auf der Kempener Burg vermögen. Ich denke, Brauchtum hilft nicht nur dabei, die „kleine Welt“ um uns herum nicht aus den Augen zu verlieren, sondern es kann sie sogar ein bisschen größer machen. Am Niederrhein würde Brauchtum ohne ein gutes nachbarschaftliches und freundschaftliches Miteinander gar nicht funktionieren. Die Jungen lernen von den Alten und umgekehrt. Auch das kann Brauchtum leisten. Das sieht man immer wieder bei den großen Schützenfesten, zum Beispiel in Auwel-Holt, Willich oder Krefeld-Linn: Da haben sich aus Nachbarschaften und Freundeskreisen ganze Kompanien entwickelt. Nachwuchssorgen gibt es nicht. Und die Jungen kommen mit den „alten Hasen“ bestens aus – nicht nur an der Theke im Schützenzelt. P.S.: Gut, dass es Facebook und RyanAir gibt: Beide sorgen ja immer mal wieder für kabarettistische Steilvorlagen.

Wie viel Karnevalist steckt in dem Kabarettisten Stefan Verhasselt? Vertragen sich Karneval und Kabarett?

Verhasselt Im Kabarettisten Stefan Verhasselt steckt kein Karnevalist. Im Gegensatz zu Bernd Stelter beispielsweise, oder „Frau Kühne“, die schonmal beide Genres miteinander vermischen. Der Privatmensch Stefan Verhasselt ist aber an Karneval gerne unterwegs. Durch meinen Job als Moderator bei WDR4 habe ich den Kölner Musikkarneval kennen und lieben gelernt. Es gibt so viele tolle junge Gruppen, wie zum Beispiel Kasalla und Querbeat. Privat besuche ich gerne die Veranstaltung „Jeck am Rhing“ im Kölner Tanzbrunnen und am Karnevalssamstag das Funkenbiwak in Köln, an das sich immer ein toller Kneipenkarneval anschließt. Seit vielen Jahren moderiere ich mit großem Spaß die WDR4-Sendungen an Altweiber und Rosenmontag. Das mit dem Kostümieren war lange nicht mein Ding, aber „et kommt“. Mittlerweile habe ich sogar zwei Kostüme: ein Schottenkostüm und ein Piratenkostüm. Zuhause in Kempen bin ich lustigerweise durchs Laufen zum aktiven Karneval gekommen. Ich hatte mich dem Lauftreff der Prinzengarde angeschlossen, weil ich einige nette Menschen dort kannte. Und 2017 haben Sie mich dann zum Ehrenleutnant gemacht. So schnell kann’s gehen. Und jetzt kann ich nicht mehr weglaufen.

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